Lippe aktuell ,
19.02.2005 :
Augustdorfer Bundeswehrkommandeur blickt auf vergangenes Jahr zurück / "Das Jahr war ein einziger Höhepunkt"
Augustdorf (bo). Seit einem Jahr führt Oberst Manfred Hofmann die Panzerbrigade 21 "Lipperland". In diese Zeit fielen Entscheidungen zum Erhalt des Standortes Augustdorf und die Misshandlungsvorwürfe gegen die Bundeswehr in Coesfeld. Ende 2005 wird ein Großteil des Verbandes für vier Monate in den Auslandseinsatz gehen. Lippe aktuell-Mitarbeiter Stefan Boscher sprach mit Oberst Manfred Hofmann.
Lippe aktuell: Herr Oberst, vor einem Jahr haben Sie gesagt, dass Sie etwas Zeit brauchen, die Brigade kennen zu lernen. Welche Eindrücke haben Sie gewonnen?
Hofmann: Ich hatte den großen Vorteil, dass ich die Brigade zu dem Zeitpunkt übernehmen durfte, als sie aus dem Einsatz zurückgekommen ist. Das heißt, das Jahr 2004 war von vorne herein als Ausbildungszeit veranschlagt. Eine solche Zeit ist eine der intensivsten, die man in solch einer Führungsposition erleben kann. Ich habe jede Einheit in allen Phasen der Ausbildung gesehen. Wir haben die Einsatzfähigkeit der Stäbe unter die Lupe genommen und waren an mehreren großen Übungen beteiligt. Es ist beeindruckend, die Leistungsfähigkeit der Einheiten zu sehen. Es war für mich kein Jahr, das gespickt war mit Höhepunkten, es war ein einziger Höhepunkt. Besonders ist aber die Motivation der Soldaten hervorzuheben. Sie zeichnet diesen Großverband besonders aus.
Lippe aktuell: Welche Auswirkungen hatte der "Misshandlungs-Skandal", der von Soldaten in Coesfeld bekannt geworden ist, auf die Augustdorfer Soldaten?
Hofmann: Die Geschehnisse sind teilweise auch in der Brigade mit aufgearbeitet worden. Vorwürfe wurden nämlich auch gegen Soldaten aus Ahlen erhoben. Das hat
die dort stationierten Panzergrenadiere, die zur Lipperland-Brigade gehören, schwer getroffen. Denn was in Ahlen geschah, ist in keiner Weise mit den Coesfelder Vorwürfen vergleichbar. Die Vorwürfe wurden geprüft. Innerhalb einer Woche lag das Ergebnis vor, in dessen Folge keine weitergehenden Unternehmungen einzuleiten waren. Alle Soldaten haben sich mit den Vorfällen intensiv auseinander gesetzt und erst im Nachhinein erfährt man, welche Kreise solche Vorwürfe ziehen, bis hinein ins Privatleben, in die Familien. Das hat mich sehr betroffen gemacht. Dabei muss man stets bedenken, unter welchen Bedingungen Soldaten ins Ausland gehen. Und wie sie zurückkommen. Sie sehen dort schreckliche Dinge, Massengräber und Verwüstung. Es ist ein Leben, dass absolut abweicht von dem in Deutschland. Die Männer und Frauen sind durch eine systematische Personalauswahl, intensive Ausbildung und auch entsprechende psychologische Vor- und Nachbereitung stabil und sich dieser großen Herausforderung bewusst. Vor dem Hintergrund bin ich mir heute hoch sicherer, dass wir als Streitkräfte im Hinblick auf den personellen Bereich genau den richtigen Weg eingeschlagen haben - eine Mischung aus länger dienenden Zeit- und Berufssoldaten und einer ständigen Rekrutierung von Wehrpflichtigen. In dem geschlossenen System einer Berufsarmee wäre die Aufklärung von Vorfällen, wie sie in Coesfeld passiert sind, sicherlich schwerer zu realisieren, als im derzeitigen System.
Lippe aktuell: Welche Gedanken gingen Ihnen durch Kopf, als die Entscheidung zum Erhalt der Brigade und Standorts bekannt gegeben wurde?
Hofmann: Am Abend des 1. November habe ich alle Bataillonskommandeure zu mir gerufen, um auf die Entscheidung zu warten. Wir waren guter Hoffnung, weil wir wussten, dass bei dieser Strukturentscheidung wirtschaftliche und militärische Gesichtspunkte ein noch größeres Gewicht hatten, als in den letzten Maßnahmen. Und wir kennen Augustdorf. Es ist ein Standort, der seit es ihn gibt Großverbände aufgenommen hat. Für mich war relativ klar, dass der Standort an sich nicht in Frage steht. Aber was hinter den Toren passieren wird, war spannend. Auch Umstationierungen wären denkbar gewesen. Als das Ergebnis gekommen ist, waren wir sehr stolz. Es ist eine Bestätigung der Arbeit der vergangenen Jahre. Was uns unverhofft getroffen hat: Unser Logistikbataillon wird aufgelöst ebenso wie das Panzergrenadierbataillon 192 in Ahlen. Aber unter dem Strich bin ich sehr froh für den Verband, die Gemeinde und die gesamte Region. Und ich bin sehr stolz, dass die Panzerbrigade 21 "Lipperland" eine der beiden Eingreifbrigaden der Bundeswehr stellen soll.
Lippe aktuell: Thema Nationalpark: Der Augustdorfer Bürgermeister, wie auch andere, haben deutlich gemacht, dass eine parallele Nutzung der Senne als Übungsplatz und Nationalpark nicht möglich ist. Sehen Sie das ähnlich?
Hofmann: Zunächst einmal bin ich froh, dass über dieses Thema sachlich und ohne zu viele Emotionen diskutiert wird. Tatsache ist, dass sowohl britische Streitkräfte wie auch Bundeswehr ein großes Interesse an der Nutzung der Senne haben. Ich glaube auch, dass eine parallele Nutzung aus touristischer und wirtschaftlicher Sicht keinen Sinn macht. Das Gelände teilweise zum Beispiel am Wochenende für Bürger zu öffnen, halte ich durchaus für sinnvoll, so wie es heute schon praktiziert wird. Außerdem: Die militärische Nutzung ist eigentlich ein Gewinn für die Senne. Denn durch die Sperrung ist die Senne so erhalten, wie sie heute ist. Eine zunehmende touristische Erschließung hätte hier nicht nur Vorteile.
Lippe aktuell: Ist dann eine Diskussion in dem derzeitigen Umfang, gerade im Hinblick auf das Bekenntnis der Bundeswehr zum Standort Augustdorf nicht eher schädlich als produktiv?
Hofmann: Ich glaube nicht, dass es schädlich ist. Das halten wir alle aus.
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