Tageblatt für Enger und Spenge / Neue Westfälische ,
18.02.2005 :
"Wände wackelten, Scheiben klirrten" / Gedenkstunde mit Augenzeugen zum 60. Jahrestag der Bombardierung der Kleinbahn Enger/Jöllenbeck
Von Till Schröder
Enger-Pödinghausen. "Richtig warm war es", denkt Elsbeth Pohlmann zurück. "Der 16. Februar 1945 war ein Vorfrühlingstags." Doch die Idylle wurde jäh zerstört. An dem Tag flogen alliierte Bomber einen Angriff auf den Kleinbahnzug, der von Enger nach Jöllenbeck fuhr. Viele Menschen starben - die Rede ist von 19 bis 22 Toten. Der Opfer gedachten nun der Stammtisch Barmeierplatz und der Verein Kleinbahnmuseum.
Die Gedenkstunde, an der einige Zeitzeugen und zahlreiche Bürger teilnahmen, fand im Roten Kotten statt. Nach dem Flieger-Angriff waren dort Verletzte behandelt worden. Das alles bekam Werner Meyer als Fünfjähriger hautnah mit. "Meine Mutter riss mich aus dem Sandkasten, ins Haus und rein in den Keller", erinnert sich Meyer an die Bombardierung des Zuges. "Die Wände wackelten und Scheiben klirrten." Als erste Verletzte am eintrafen, wurde der Rote Kotten zum Not-Lazarett. "Vom Boden wurden Strohballen geworfen, um die Leute darauf zu betten", sagt Werner Meyers Bruder Helmut Meyer.
Wilfried Grothaus, ebenfalls Zeitzeuge, war am Spielen, als die Flugzeuge angriffen. "Sie kamen im Tiefflug runter, nur maximal 200 Meter hoch."
"Die Piloten konnte ich klar erkennen", berichtete der Engeraner im Rahmen der Augenzeugen-Berichte bei der Gedenkfeier. Die Schreie der Verletzten habe er noch etwa einen Kilometer vom völlig zerstörten Zug entfernt gehört.
In der Kleinbahn saß Elsbeth Pohlmann. Die heute 83-Jährige hatte viel Glück. Sie überlebte die Bombardierung verletzt im vorderen Zugteil - mit verbranntem Gesicht und einem geplatztem Trommelfell. "Man hat mir später gesagt: Die Bombe ist eineinhalb Meter neben Ihnen eingeschlagen", sagt die Seniorin. Und ernst fügt sie hinzu: "Wer vor mir, hinter mir oder neben mir saß - sie waren alle tot."
Auf allen Vieren krabbelte Elsbeth Pohlmann aus dem Wrack, das einmal ein Zug gewesen war. Wegen ihrer Verletzungen war sie noch bis nach der Kapitulation Deutschlands Anfang Mai 1945 in Behandlung.
Neben den Berichten der Augenzeugen erinnerte Heinz-Jürgen Uffmann an den Fliegerangriff auf die Kleinbahn. Dieser sei zwar direkte Folge der Machtergreifung Adolf Hitlers, stehe aber auch für "sinnloses Leid der Menschen im Krieg".
Matthias Rasche, Mitglied des Vereins Kleinbahnmuseum Enger, stellte eine neue Idee vor: am Ort des tragischen Geschehens ein Holzkreuz zur Erinnerung aufzustellen. Dieses Vorhaben solle bald in die Tat umgesetzt werden.
Während Uffmann die Namen der bei dem Angriff Gestorbenen verlas, zündete Rasche ein Teelicht für jeden der Toten an. Nach diesem Gedenken auf der Deele des Kottens, sprach der Pödinghauser Pastor Joachim Eisemann zum Abschluss ein Gebet. Mit Flöten- und Gitarrenmusik begleitete die Gruppe "exaudi" die einzelnen Programmpunkte.
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