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Neue Westfälische 14 - Lübbecke (Altkreis) , 06.04.2016 :

Amtsbürgermeister unterm Hakenkreuz

Schloss Benkhausen: Rainer Pöppinghege berichtete über Schloss Benkhausen und seinen Besitzer in der Zeit des Nationalsozialismus

Von Robert Rolf Grundmann

Espelkamp-Gestringen. "Welche Haltung hatte Alhard von dem Bussche-Münch gegenüber den Nationalsozialisten?", fragte Rainer Pöppinghege zu Beginn seines Vortrags im vollbesetzten Kaminzimmer des Schlosses und umriss damit das Thema des zweiten Abends in der Reihe zur Geschichte Benkhausens. Außerdem ging es darum, wie der Baron in der Zeit von 1933 - 1945 gehandelt hat.

Der Wissenschaftler, der am Historischen Institut der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn lehrt, wies darauf hin, dass die Region Lübbecker Land Stammland der Nationalsozialisten gewesen sei. Bei den Kommunalwahlen 1933 erhielten sie 71,4 Prozent der Stimmen. Das sage zwar nicht unmittelbar etwas über die Verhältnisse vor Ort, dieses Milieu müsse aber bei der geschichtlichen Betrachtung und Einordnung berücksichtigt werden. Der Adel allgemein habe 1933 dem Nationalsozialismus eher skeptisch gegenüber gestanden, da er die egalitären und gleichmachenden Ziele der Partei ablehnte - andererseits sahen die Nationalsozialisten den Adel als ein dekadentes Relikt der Vergangenheit an.

Insgesamt sind aus dem Adel einerseits glühende Verfechter des Dritten Reiches hervorgegangen, andererseits aktive Widerstandskämpfer. Alhard gehörte zu keiner der beiden Gruppen. Ein großer Teil des Adels lehnte - und hier liegt eine Übereinstimmung zu den Nationalsozialisten vor - die Demokratie im Allgemeinen, die Weimarer Republik und den Versailler Vertrag im Besonderen, ab. Eine weitere Gemeinsamkeit war der Antisemitismus, der allerdings nicht bei allen gleich stark ausgeprägt war.

"Notwendigkeit zu einigem Zusammenstehen"

Im Gegensatz zu seiner damaligen Frau sind von ihm keine direkten Zeugnisse zu seiner Haltung überliefert, wenn man von einem Zitat in einem im März 1933 erschienenen Zeitungsartikel absieht, nach dem er die "Notwendigkeit zu einigem Zusammenstehen" betont. Eine solche Aussage war nichts Ungewöhnliches in einer Zeit, in der die "Volksgemeinschaft" immer wichtiger wurde. Deswegen und weil die Formulierung sehr allgemein gehalten ist, könne man aus ihr keine direkten Schlüsse über das Denken des Barons ableiten.

Von dem Bussche-Münch gehörte der Deutschnationalen Volkspartei an, für die er 1932 für den Kreistag kandidierte, war Mitglied mehrerer Vereinigungen, die sich mit Fragen des Lebensraums und der Kolonien beschäftigten und leitete die örtliche "Stahlhelm"-Gruppe, eines Verbandes von Veteranen des Ersten Weltkrieges. Diese Gruppe wurde später in die SA überführt. Zu bestimmten Anlässen wehte jetzt die Hakenkreuzflagge vor dem Schloss.

1935 übernahm der Baron den Posten des Amtsbürgermeisters in Alswede, dem der Gutsbezirk Benkhausen 1928 eingegliedert worden war, nachdem er etwa 70 Jahre davor in die Eigenständigkeit entlassen worden war. Dieses Ehrenamt übte er bis zu seiner Ablösung durch die Briten am 22. Mai 1945 aus.

Ob er den Enthusiasmus seiner Gattin bezüglich des Nationalsozialismus geteilt habe, sei ebenso unklar, wie die Motive Alhards, das Amt des Bürgermeisters anzutreten und 1937 der NSDAP beizutreten. Als Vorgesetzter von fünf Beamten und Hilfskräften sorgte er für das reibungslose Funktionieren des politischen Systems auf lokaler Ebene. Seine Zusammenarbeit mit der örtlichen Parteileitung funktionierte reibungslos. Er kam allen seinen Pflichten, bis hin zur Überwachung von Zwangsarbeitern und der Verfolgung von Geflüchteten, penibel nach. Gleichzeitig war er SA-Führer und Kreisjägermeister. Wer 1935 ein Amt angetreten habe, dem könne es nicht mehr daran gelegen haben, Sand ins Getriebe zu streuen, denn die Gleichschaltung und das Unrechtsverhalten der Herrschenden sei da offensichtlich gewesen, zog der Historiker ein Zwischenfazit.

Um die Entschädigung für das abgegebene Areal musste er lange kämpfen

Gegen eine finanzielle Entschädigung, um die er lange kämpfen musste, wurde das Areal, das als "Mittwald" bekannt war, in militärische Nutzung abgegeben. Hier sollte ab Ende der 30er Jahre die Lübbecker Munitionsanstalt, kurz "Muna" genannt, entstehen. Dieser Bereich ist heute die Kernstadt Espelkamps.

Im Laufe der Kriegsjahre war der Gutsbetrieb immer mehr auf Eigenwirtschaft angewiesen, da die Pächter der noch vorhandenen Flächen häufig zu alt waren und die wehrfähigen Männer eingezogen wurden. Um diese Bewirtschaftung möglich zu machen, wurden durchaus auch Zwangsarbeiter beantragt und zugewiesen. Auch Teilnehmende an Lagern der Landjugend leisteten Unterstützung. Bis zur Einnahme Espelkamps durch die Briten am 4. April 1945 gab es auf dem Gelände des Schlosses auch noch andere Lager, und Kriegsflüchtlingen wurden Wohnmöglichkeiten eingeräumt. Da der örtliche deutsche Befehlshaber die angeordnete Sprengung der Munitionsanstalt nicht durchführte, erfolgte eine kampflose Übergabe.

Abschließend sagte Pöppinghege, der Baron sei aus seiner Sicht nicht nur ein Mitläufer, sondern ein stiller Unterstützer des Systems und seiner Politik gewesen, der Sympathien für dessen Politik gehegt habe. Eine endgültige Aussage sei allerdings schlecht möglich, da keine Selbstzeugnisse des Gutsherrn vorlägen.

Neue Termine

Am Dienstag, 19. April, wird es um die Zeit zwischen 1807 und 1814 gehen, als Franzosen das Sagen hatten.

Zu einem noch nicht festgelegten Termin wird auch die Nachkriegsgeschichte des Schlosses behandelt, zu der Historiker Rainer Pöppinghege zur Zeit noch forscht.

Bildunterschrift: Benkhausen 1933 bis 1945: Rainer Pöppinghege vom Historischen Institut der Universität Paderborn referierte im Kaminzimmer über die Zeit des Nationalsozialismus.


luebbecke@nw.de

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