Lippische Landes-Zeitung ,
15.02.2005 :
Zeitzeugen und Geschichten erwünscht / Landesmuseum bereitet Ausstellung zu 60 Jahre Kriegsende vor - Eröffnung im April in Holzhausen-Externsteine
Detmold/Horn-Bad Meinberg (upf). Im April 1945 endete auch in Lippe das "1000-jährige Reich" - an Stelle der Nazi-Diktatur trat zunächst das amerikanische Militär, dann die britische Besatzungsmacht, Jahre später die Bundesrepublik Deutschland. Ein langer, vielschichtiger Zeitraum, den das Lippische Landesmuseum zum 60. Jahrestag des Kriegsendes in einer Ausstellung aufarbeiten will.
Die Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wollen Dr. Imke Tappe-Pollmann und Volontärin Daniela Stemmer vom Landesmuseum gemeinsam mit Elisabeth Kespohl vom Haus des Kurgastes in Holzhausen-Externsteine dort darstellen. "Doch das Leben ging weiter - Nachkriegsjahre in Lippe", lautet der Titel, der noch nicht direkt den hohen Anspruch erahnen lässt, den die Volkskundlerinnen mit ihrer Arbeit verbinden.
Denn die Ausstellung soll nicht einfach Exponate zeigen, sondern sie Geschichten erzählen lassen. Oder besser noch ihre Besitzer - "Oral History" nennt die Fachwelt die Methode, Menschen Erlebtes erzählen zu lassen, um daraus ein Bild der Ereignisse zu gewinnen.
Über allem steht die Frage, wie die Lipper den Einmarsch der Alliierten erfassten, der ein Unrechtsregime beendete und Europa Frieden brachte. Was bedeutete es für die Menschen in ihren persönlichen Schicksalen, welche Ängste, welche Hoffnungen brachte das Ende dieses Krieges für sie? Wie wirkte das Auftreten fremder Soldaten auf die Bevölkerung, wie wurden Fremdarbeiter, die nach Hause wollten, wie Kriegsheimkehrer und Flüchtlinge aufgenommen? Das alles sind Themen, denen sich die Ausstellung annehmen will - und für die Zeitzeugen gesucht werden. "Wir möchten, dass die Menschen uns von ihren Erlebnissen berichten", sagt Daniela Stemmer.
Erlebnisse, die nicht begrenzt sind auf die unmittelbare Zeit des Kriegsendes - denn die Ausstellung will viel weiter greifen, zeigen, wie sich das Alltagsleben organisieren ließ, wie die Lipper zusammenrückten, um denen eine neue Heimat zu bieten, die ihre alte verloren hatten, wie die Frauen zurecht kamen, deren Männer und Familienväter gefangen, vermisst oder tot waren. Daniela Stemmer: "Das war damals eine richtige Frauengesellschaft, die Männer waren fast alle weg." Der Wiederaufbau musste bewerkstelligt werden, Kontakt gehalten werden zu den Männern in Gefangenenlagern, bis sie wieder nach Hause konnten, um schließlich mit ihrer vereinten Arbeitskraft das Wirtschaftswunder anzuschieben.
Im Haus des Kurgastes sollen vom 9. April bis zum Mai dieses Jahres nicht nur Gegenstände sprechen wie etwa der Rucksack eines Mannes, der nach vielen Jahren aus russischer Gefangenschaft mit ihm heimkehrte, oder das Ballkleid aus Fallschirmseide. Da gibt es einen ganzen Stapel Briefe und Postkarten, die eine lippische Familie einem völlig unbekannten Soldaten ins französische Gefangenenlager schrieb, um ihn emotional aufrecht zu halten, weil er keinen Kontakt zu seiner eigenen Familie herstellen konnte.
Aber auch die Menschen selbst sollen erzählen: Ihre Geschichten zu Dingen, die vielleicht Jahrzehnte lang unbeachtet irgendwo Staub sammelten und heute erst wirklich eine Bedeutung bekommen haben, von ihren Erinnerungen und ihren Beobachtungen. Alles kann eine Rolle spielen für die Ausstellung: Wohin man nach Kriegsende zum Tanzen ging, welche Musik in den Gaststätten und Tanzlokalen, welche Filme im Kino gespielt wurden, wann man sich den ersten Urlaub leisten konnte. "Die Geschichten sind das Wichtigste", findet Daniela Stemmer.
Wer Fotos, Dokumente und Gegenstände zur Verfügung stellen will, ebenso wie seine Erinnerungen, der ist beim Lippischen Landesmuseum willkommen. Anruf genügt - (05231) 992515 (Tappe-Pollmann) oder 992526 (Stemmer).
detmold@lz-online.de
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