Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische ,
15.02.2005 :
"Diskriminierung eines behinderten Sportlers" / Abschiebung des beinamputierten Gewichthebers Ramazanov für morgen vorgesehen: Rechtsanwalt Gerhard Bauer prangert zweierlei Maß im Sport an
Paderborn (sf). Morgen soll der Asylbewerber Mekhman Ramazanov (34) in sein Herkunftsland Aserbaidschan abgeschoben werden. Der Behindertensportler hatte in der vergangenen Woche im Paderborn Ausländeramt gedroht, sich wegen der drohenden Abschiebung mit einem Messer umzubringen. Erst nach über zweistündigen Verhandlungen gab er auf. Sein Rechtsanwalt, Gerhard Bauer aus Lichtenau-Atteln, hat jetzt einen Asylfolgeantrag bei der Bielefelder Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gestellt und deutlich gemacht, dass dank dessen sportlicher Fähigkeiten durchaus öffentliches Interesse am Bleiben Ramazanovs in Deutschland besteht.
Zudem hat er sich im Namen seines Mandaten für die Selbstmorddrohung im Amt entschuldigt. "Die Drohung mit einem Messer ist niemals zu rechtfertigen, selbst wenn sich diese gegen die eigenen Person richtet." Bauer macht deutlich, in welch verzweifelter Lage sich der Spitzensportler befand und befindet. Ramazanov möchte Deutschland bei internationalen Sportveranstaltungen vertreten. Und er hat ddie Fähigkeiten dafür. Mit "ungeheuerer Energie" sei es seinem Mandanten gelungen, so Bauer, den schweren Schicksalsschlag, den Verlust beider Beine, zu überwinden und zu einem Spitzensportler heran zu reifen.
Mekhman Ramazanov gehört zur Leistungsspitze der Gewichtheber im Behindertensport. Der 34-Jährige wurde für sein Geburtsland im Jahr 2000 Europameister in der Klasse bis 100 Kilogramm und startete für Aserbaidschan bei den Paralympics in Sydney 2000, wo er Platz sechs belegte. Bis zu 225 Kilogramm habe er seine Leistungsfähigkeit im Gewichtheben steigern können. "Jedes Land wäre stolz auf so einen Sportler", sagt Rechtsanwalt Bauer.
Doch Ramazaonov habe bis 2002 in einem Land gelebt, das in punkto Korruption weltweit an dritter Stelle stehe. "Mafiöse Strukturen durchziehen in Aserbaidschan das gesamte öffentliche Leben bis hin zu den Sportverbänden." Ramazanov sei nach seiner Einreise bereit gewesen, für Deutschland zu starten - und der Deutsche Behindertensportverband habe reges Interesse an ihm bekundet.
Sportdirektor Frank-Thomas Hartleb und der Cheftrainer im Gewichtheben, Thomas Mersdorf, setzten sich für ihn ein, schrieben bis zum Bundespräsidenten. In dem Schreiben von Mersdorf heißt es, dass man einem Menschen "der ehrlich und fleißig ist (hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, trainiert hart und ist Deutscher Vizemeister, mittlerweile spricht er auch gut Deutsch), eine Chance zu geben, hier ein neues zu Hause und eine sportliche Existenz zu finden".
Doch Aserbaidschans Sportverband habe ihn nicht ohne Zahlung von Geld ziehen lassen wollen, erklärt Bauer. "Wegen dieser unzulässigen finanziellen Forderungen scheiterte eine Meldung Ramazanovs für Deutschland bei den Paralympics in Athen 2004." Und auch das Einbürgerungsbegehren des 34-Jährigen sowie der Antrag an die Härtefallkommission scheiterte: An der kurzen Aufenthaltsdauer Ramazanovs in Deutschland, wie Bauer erläutert.
Für Bauer ist der Fall Ramazanov ein Skandal: "Die Schuld ist nicht beim Ausländeramt der Stadt Paderborn zu suchen, dessen Handlungsmöglichkeiten angesichts der strikten Fesseln des Ausländerrechts eingeschränkt sind. Der Skandal ist vielmehr bei den übergeordneten Behörden wie Bezirksregierung und Innenministerium zu finden, wenn nicht erkannt wird, dass hier ein absolutes öffentliches Interesse am Verbleib des Herrn Ramazanov in der Bundesrepublik Deutschland besteht."
Bauer prangert an, dass man bei Sportlern mit zweierlei Maß messe: "Im Profi-Sport ist es gang und gäbe, dass Athleten über Nacht eingebürgert werden, damit diese für die Bundesrepublik bei internationalen Wettkämpfen starten können." Der Rechtsanwalt verweist auf Fälle im Fußball (Südafrikaner Sean Dundee) und bei der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft. "Im Bereich des Behindertensportes scheint aber dieses Interesse nicht gegeben zu sein." Darin sieht Bauer eine Diskriminierung, die nicht hinnehmbar sei.
In Aserbaidschan ist er nun der "gefallene Sohn"
Zudem verweist er auf die Gefahr, der Ramazanov bei der Rückkehr nach Aserbaidschan ausgesetzt wäre. Ungeachtete seiner schweren Behinderung würde der "gefallene Sohn" nach der erzwungenen Heimreise für sein Fehlverhalten, die "Verächtlichmachung der Republik Aserbaidschan", bestraft. Nach Ramazanovs Attacke im Paderborner Ausländeramt bestehe Selbstmordgefahr, das habe die Untersuchung einer Ärztin bestätigt. Ramazanov sei in seiner verzweifelten psychischen Verfassung dringend behandlungsbedürftig - etwas, was das "nicht vorhandene Gesundheitssystem Aserbaidschans" nicht leisten könne.
lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de
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