Deister- und Weserzeitung ,
14.02.2005 :
Kette aus Menschen zeigte Flagge gegen Rechts / Trotz strömenden Regens demonstrierten Samstag weit über 1.000 Hamelner / Neonazis blieben fern
Hameln (CK/ube). Nachdem das Verwaltungsgericht Hannover und wenig später auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg am Freitag die Untersagung einer von dem Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger geplanten Saalveranstaltung bestätigt hatten, blieb der eingeladene Teilnehmerkreis der rechten Szene dem Veranstaltungsort in Hameln fern.
Dennoch zeigte Hameln Flagge gegen rechts: Alle Jugendorganisationen der demokratischen Parteien, der Kirchen und der Jüdischen Gemeinde Hameln hatten zu einer Menschenkette aufgerufen, um die Altstadt quasi abzuschirmen. Als es kurz vor zwölf Uhr am Samstag in Strömen goss, waren die Veranstalter zunächst skeptisch, wollten die Menschenkette beschränken rund um das Hochzeitshaus. Doch als Punkt zwölf dumpf und durchdringend die Glocken der Marktkirche ertönten, wurden es mehr und mehr Hamelner, die Flagge zeigen und nicht hinnehmen wollten, dass der Ruf ihrer Stadt durch Rechtsextreme Schaden nimmt, auch wenn die nicht gekommen waren.
Hand in Hand ging es bald auf beiden Seiten die Osterstraße runter, der Zug formierte sich diszipliniert zu beiden Richtungen des Walls und bildete schließlich eine Kette von der alten bis zur neuen Weserbrücke.
Viele bekannte Gesichter fanden sich unter den Demonstranten, darunter Bürgermeister Rode, diverse Ratsmitglieder von SPD, CDU und FDP, Mitglieder von den Grünen, der ehemalige Superintendent Hans-Egbert Lange oder Astrid Fard, Ehefrau des persischen Unternehmers Akbar Fard. Keinen hatte der Dauerregen davon abgehalten, ein Zeichen zu setzen gegen Neonazis in Hameln. Die Veranstaltung mit annähernd 1.250 Teilnehmern verlief nach Angaben der Polizei-Inspektion Hameln-Pyrmont/Holzminden "friedlich und ohne Zwischenfälle".
Auch bei einer anschließenden Demonstration blieb es friedlich, als Rachel Dohme, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Hameln, das Wort ergriff. "Jeder ist in der Lage, etwas zu tun gegen solche Anfeindungen 60 Jahre nach Kriegsende. Wir machen keine Vorwürfe. Wir trauern, weil uns viele fehlen", sagte sie. Die Jüdische Gemeinde hoffe, dass Sorge und Schmerz eine Wiederkehr des Schreckens nicht zulassen würden. Frau Dohme: "Aber wir dürfen nicht wegsehen, wenn Rechte bei uns marschieren. Stellen wir uns ihnen entgegen und rufen: Nie wieder!'"
Die Verfügung der Stadt Hameln, die es Rieger auf Grund baulicher Mängel untersagte, in seinem Gebäude, dem ehemaligen City-Kino-Center, eine Veranstaltung für 300 Teilnehmer durchzuführen, war letztlich durch das OVG Lüneburg bestätigt worden. "Die Polizei stand daher am Sonnabend bereit, die Inhalte der Untersagungsverfügung für die Stadt Hameln durchzusetzen", sagte Polizeidirektor Bernd Wiesendorf als Einsatzleiter und erklärte: "Konkreter gesagt: Zu der geplanten Veranstaltung der Rechtsextremisten mit Redebeiträgen, Musikdarbietungen und Filmvorführungen hätte keine Person Zutritt zum Gebäude des Herrn Rieger bekommen." Unterstützt wurde die Hamelner Polizei durch starke Kräfte der Landesbereitschaftspolizei aus ganz Niedersachsen.
Inspektionssprecher Jörn Schedlitzki: "Personen des von Jürgen Rieger eingeladenen Teilnehmerkreises wurden in Hameln bis 18.30 Uhr nicht entdeckt." Hinweise, dass die Rechtsextremisten eine Ausweichveranstaltung im Umland durchführen wollten, hätten sich nicht bestätigt. Fazit von Polizei und Stadt: Die geplante Rieger-Veranstaltung wurde mit allen rechtstaatlichen Mitteln verhindert.
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