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Lippische Rundschau ,
10.04.2001 :
Hausdurchsuchung in der "alten Pauline" / Plakate und Computer von Polizei beschlagnahmt
Detmold (blz). Plakate und Computer hat der Bielefelder Staatsschutz am Freitagmorgen bei vier Hausdurchsuchungen in Detmold beschlagnahmt. Neben drei Privatwohnungen durchsuchten rund zehn Einsatzkräfte auch das autonome Jugendzentrum "alte Pauline" an der Bielefelder Straße, wie Herbert Skowski vom Staatsschutz gestern auf Nachfrage berichtete.
Anlass der Aktion ist die Anzeige des in Horn-Bad Meinberg ansässigen Karl Friedrich Titho, wie Oberstaatsanwalt Diethard Höbrink bestätigte. Auf Plakaten und auf einer Internet-Seite, so der Vorwurf, habe die in der "Pauline" ansässige "Arbeitsgemeinschaft Fossoli" Titho unter anderem als "Nazimörde" bezeichnet.
Dadurch sah sich der Horn-Bad Meinberger diffamiert und erstattete schon vor einigen Monaten Anzeige. Die Hausdurchsuchungen am Freitag seien übliche Schritte im Rahmen eines solchen Verfahrens und zudem "total unspektakulär" verlaufen, so Skowski.
Ermittelt wird laut Höbrink wegen Verleumdung, vom Gesetz definiert als Äußerung von Behauptungen, die "nicht erweislich wahr sind". Ob es sich auch um bewusst wahrheitswidrige Behauptungen – also um üble Nachrede – handele, werde erst die Auswertung des beschlagnahmten Beweismaterials zeigen.
Das türmt sich derzeit auf dem Schreibtisch von Paul Ehlers vom Staatsschutz. Ein bis zwei Wochen werden sich die Ermittler mit der Durchsicht beschäftigen, bevor der Staatsanwaltschaft Ergebnisse vorgelegt werden können.
Karl Friedrich Titho leitete von 1943 das Lager "Fossoli" in der Nähe von Modena (Oberitalien). Zunächst wurden hier alliierte Kriegsgefangene untergebracht, von Oktober 1943 an aber war es ein Durchgangslager auch für die Deportation von italienischen Juden in den Osten. Während der Zeit, als Titho das Lager leitete, wurden in einer Vergeltungsaktion 63 Partisanen erschossen. 1945 kam Titho dann in Kriegsgefangenschaft, und ein niederländisches Gericht verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe. Nach zwei Jahren wurde er aber nach Deutschland entlassen und lebt seither in Horn.
So weit stimmen die Angaben der Kulturinitiative mit denen von Arndt Kuhlmann, dem Anwalt von Titho, überein. Nicht richtig aber sei die Behauptung auf der Internet-Seite, dass sein Mandant für die Erschießung und die Deportationen verantwortlich gewesen sei. "Dazu hatte er gar nicht die Kompetenz", so Kuhlmann. Gegen seinen Mandanten sei in insgesamt drei Verfahren in Deutschland und Italien ermittelt worden, sie seien aber alle eingestellt worden.
Anzeige wegen Verleumdung erstattete Kuhlmann im Namen von Titho – und auch für sich selber: "Ich werde in dem Text als Mitglied der Waffen-SS bezeichnet. Das ist aber nicht möglich, da ich Jahrgang 1944 bin."
Vorstandsmitglied Jens Petzold erklärte, dass der strittige Internet-Text nicht von der Kulturinitiative stamme. Von den Inhalten des Textes distanziere er sich aber nicht.
wb@westfalen-blatt.de
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