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Lippische Landes-Zeitung , 03.02.2005 :

Ein Spiegelbild deutscher Geschichte / Uta Halle schreibt Buch über Dörentrups "Thonwarenfabrik"

Detmold/Dörentrup (da). Das Thema "Judenwerk" treibt die Archäologin Dr. Uta Halle schon seit vielen Jahren um. Doch erst jetzt, nach Einsicht in die Wiedergutmachungsakten, fand sie die Zeit, ihre Untersuchungen abzuschließen. Die "Geschichte der Lippischen Thonwarenfabrik in Dörentrup" ist in diesen Tagen in der Schriftenreihe der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lippe erschienen.

Das besondere Interesse Dr. Halles kommt nicht von ungefähr. Es erwachte Ende der 80-er Jahre, kurz nachdem sie - nichts von der jüdischen Vergangenheit ahnend - mit ihrer Familie in die ehemalige Direktorenvilla des Unternehmens gezogen war. Nachbarn hatten sie mehrfach auf diesen besonderen Umstand hingewiesen. Heute sagt die Wissenschaftlerin: "Wenn man in Deutschland in einem ehemaligen jüdischen Besitz lebt, muss man sich um die Vergangenheit kümmern."

Und das hat sie gründlich getan. In ihrem rund 130 Seiten umfassenden und reich bebilderten Band zeichnet Uta Halle, soweit es die Quellenlage zulässt, die Historie der zum Ende des vorvergangenen Jahrhunderts gegründeten "Litho" nach. Im wesentlichen ist dies die Geschichte der beiden jüdischen Unternehmer Isaak Hochfeld und Max Lenzberg, auf deren Initiative diese Firmengründung zurückgeht.

Verschiebung der Selbstwahrnehmung

Besondere Schwerpunkte bilden in der Darstellung die erst 1936 begonnene "Arisierung" und die gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Rückerstattung des Besitzes nach dem Zweiten Weltkrieg - "ein lokales Spiegelbild deutscher Geschichte", wie die Autorin urteilt. Aber natürlich geht sie auch auf die Umstände der Schließung von 1973 und den Mitte der 80er-Jahre folgenden Abriss großer Teile der Produktionsstätten ein. 1998 wurde das ehemalige Firmengelände Teil eines Naturschutzgebietes.

Für bezeichnend hält Maik Fleck, evangelischer Vorsitzender der christlich-jüdischen Gesellschaft, in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Erwerber von 1937 sich 1951 bei den juristischen Auseinandersetzungen um die Rückerstattung als Opfer des Nationalsozialismus darstellten - eine deutliche Verschiebung der Selbstwahrnehmung. Fleck versteht dieses Buch ausdrücklich als einen Beitrag zur Ausstellung "Wieder(gut)gemacht?", die gegenwärtig im Detmolder Staatsarchiv zu sehen ist und sich mit den Entschädigungen in Ostwestfalen-Lippe beschäftigt. Einige Schautafeln und Vitrinen sind hier auch der "Litho" gewidmet.

Eine dauerhafte Rückkehr nach Deutschland zogen die Gründerfamilien Hochfeld und Lenzberg, deren Nachkommen in den USA, Argentinien und England leben, übrigens nie in Betracht. Aber sie kümmerten sich bis zuletzt um ihr Eigentum im lippischen Dörentrup.

Uta Halle, Das Judenwerk - Zur Geschichte der Lippischen Thonwarenfabrik in Dörentrup, Detmold 2005, ISBN 3-935345-04-6, 10 Euro.


detmold@lz-online.de

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