Lippische Landes-Zeitung ,
14.01.2005 :
Wieder gut? / Ausstellung über NS-Opfer und ihre Entschädigung im Staatsarchiv
Detmold/Kreis Lippe (mah). Schwarz und schwer ist die Schreibmaschine. Und alt. Sie gehört der Familie Kusserow, die heute in Köln lebt, und ist zurzeit im Staatsarchiv ausgestellt. Denn sie ist ein Teil der Wiedergutmachung, die den Kusserows, die den Zeugen Jehovas angehören, nach dem 2. Weltkrieg widerfahren ist. Die Stadt Bad Lippspringe hat sie der Familie nach Mai 1945 geschenkt, um darauf ihre Anträge tippen zu können.
"Die Schreibmaschine hat heute einen Ehrenplatz in der Wohnung Hans Werner Kusserows", berichtete Dr. Johannes Kistenich. Er hat eine Ausstellung mitkonzeptioniert, die im Staatsarchiv Detmold in der Willi-Hofmann-Straße zu sehen sein wird: "Wiedergutgemacht?" ist ihr Titel und sie beschäftigt sich mit dem Thema "NS-Opfer und ihre Entschädigung in Ostwestfalen-Lippe". Sie lässt sich in vier große Themenblöcke teilen, denn Anspruch auf individuelle Wiedergutmachung hatten Personen, die während der NS-Herrschaft aus Gründen der Rasse, der Weltanschauung, der politischen Gegnerschaft oder der Religion verfolgt worden waren. Die Familie Kusserow gehörte zur letzten Gruppe, viele ihrer Mitglieder verbüßten wegen ihrer Glaubensüberzeugung teilweise jahrelange Gefängnisstrafen. Zwei Söhne verweigerten den Wehrdienst und wurden zum Tode verurteilt. Die überlebenden Familienmitglieder kamen nach dem Krieg im Bad Lippspringer Haus zusammen, doch ein weiterer Sohn und der Vater starben bald an den Folgen ihres KZ-Aufenthaltes.
Das Wiedergutmachungsverfahren dauerte Jahre - und lässt sich exemplarisch für ein auch juristisches Dilemma anführen: Denn die Witwe erhielt beispielsweise keine Entschädigung für ihre hingerichteten Söhne, da - so die Wiedergutmachungskammer - eine Einziehung zur Wehrmacht und die sich daraus ergebenden Folgen nach dem Gesetz keinen Entschädigungsanspruch begründen könnten. "Auch andere Forderungen nach Wiedergutmachung wurden abgelehnt, da die Opfer nicht beweisen konnten, dass ihre Leiden mit erlittenem Unrecht in Zusammenhang standen", sagte Dr. Kistenich.
Eröffnung am Montag
Neben dem Schicksal der Kussenows beleuchtet die Ausstellung weitere Beispiele von Verfolgung und Wiedergutmachung aus OWL. Dazu gehören die Zwangsmaßnahmen gegen die jüdischen Kaufleute Karl Theo Herzheim (Paderborn) und Sidney Goldmann (Bielefeld), die "Arisierung" der Lippischen Thonwarenfabrik von Reden und Cie. in Dörentrup, das Vorgehen gegen Hans Hossius, Pfarrer der Lippischen Landeskirche und Anhänger der Bekennenden Kirche, die Aufgabe des Kloster Harderhausen und anderes. Und: "Wir vergessen nicht die nicht als entschädigungswürdig anerkannten Gruppen wie Zwangsarbeiter und Zwangssterilisierte", betonte Dr. Kistenich.
Die Ausstellung wird am Montag, 17. Januar, um 18 Uhr eröffnet. Es sprechen Dr. Winfried Reininghaus (Präsident des Landesarchivs), Wolfgang Prahl (Landgerichtspräsident), die Historikerin Dr. Katharina von Bebber sowie Dr. Jutta Prieur-Pohl und Lars Lüking vom Staatsarchiv. Führungen sind möglich: (05231) 7660.
detmold@lz-online.de
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