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Lippische Landes-Zeitung , 10.01.2005 :

Betrunken im Zug / Nazi-Beleidigung mit Geldstrafe geahndet

Detmold (upf). Wer sich im "besoffenen Kopp" daneben benimmt, tut mitunter mehr als das. Ein 33-jähriger Mann aus Bielefeld ist vom Amtsgericht Detmold verurteilt worden, weil er zwei Senioren massiv beleidigt hatte. Zwar entschuldigte sich der Angeklagte noch während der Verhandlung mehrmals bei den alten Leuten, eine saftige Geldstrafe erhielt er trotzdem.

Der Vorfall ereignete sich Ende Mai vergangenen Jahres im Zug zwischen Bielefeld und Lage. Der Angeklagte Otto K. (Name geändert) hatte nach eigener Aussage am Vortag und am Morgen des Tattages ziemlich viel Alkohol getrunken. Vorgeworfen wurde ihm, die beiden sehbehinderten Senioren - die gerade auf dem Weg zum Urlaub ins Blindenzentrum Bad Meinberg waren - beschimpft zu haben: "Ihr seid alles Nazis. Hitler hat vergessen, Euch zu vergasen." Worte, die der Angeklagte sich nicht erklären konnte. "Ich weiß nicht, wie ich darauf gekommen bin. Ich würde sowas nie im Leben zu einem Menschen sagen." Er sei während der Zugfahrt mit Bundeswehr-Soldaten ins Gespräch gekommen, möglicherweise habe ihn das beeinflusst. Was er genau zu den Fahrgästen gesagt haben soll, das habe er erst später bei einer Vorladung zur Polizei erfahren - er könne sich wegen seines Alkoholpegels nicht mehr erinnern.

"Das wird nie, nie wieder vorkommen"
Der Angeklagte

"Sie haben es aber getan", hielt ihm der 80-Jährige aus Essen entgegen, der bei der Schilderung des Vorganges im Zug mit den Tränen kämpfte.

Er und seine Begleiterin hätten "gezittert vor Angst", dass der Betrunkene sie sogar tätlich angreifen würde. Die Situation sei so bedrohlich gewesen, dass ein Fahrgast sich zu ihnen gesetzt habe, um sie zu schützen. So schilderte es auch die 70-jährige Zeugin, die den Angeklagten in ihrer Aussage als "be-, aber nicht volltrunken" in Erinnerung hatte.

Für Richter Martin van der Sand, Staatsanwaltschaft und Verteidigung war nach der Beweisaufnahme klar, dass sich der ursprüngliche Vorwurf der Volksverhetzung nicht aufrechterhalten ließ: Der Angeklagte hatte zunächst überhaupt nicht bemerkt, dass die Senioren blind beziehungsweise sehbehindert sind. Insofern richteten sich die Beleidigungen nicht gegen sie als Behinderte.

K. zeigte ehrliche Reue, entschuldigte sich immer wieder bei beiden und war selbst mehr als einmal den Tränen nahe. "Das wird nie, nie wieder vorkommen", versprach er während der Verhandlung. Die 60 Tagessätze à 19 Euro sollen eine spürbare Strafe darstellen für sein Verhalten, so der Richter, "das war ganz unterste Schublade, gerade gegenüber Menschen, die die Nazizeit noch erlebt haben".


detmold@lz-online.de

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