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Neue Westfälische , 07.01.2005 :

Wartesaal des Todes / Das Untergrundarchiv des Warschauer Ghettos in Bielefeld

Von Thomas Güntter

Bielefeld. Das Archiv war geheim, die Sammler der Dokumente trafen sich konspirativ. Der Deckname lautete: "Oneg Schabbat". Heute gilt die Sammlung des Historikers Emmanuel Ringelblum (1940 bis 1944) aus dem Warschauer Ghetto als die wichtigste Dokumentation zur Geschichte der Vernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten. Die Wanderausstellung ist von Sonntag, 9. Januar, bis zum Samstag, 12. Februar, in der Ravensberger Spinnerei in Bielefeld zu sehen.

Eröffnet wird die Ausstellung am kommenden Sonntag um 11 Uhr durch Professor Helmut Skowronek, ehemaliger Rektor der Bielefelder Universität und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Bielefeld der deutsch-israelischen Gesellschaft. Es waren Schriftsteller, Geistliche, Lehrer und Sozialarbeiter, die unter Führung von Ringelblum Dokumente des Lebens im Warschauer Ghetto sammelten.

Diese Gruppe hatte es sich zur Aufgabe gemacht, sämtliche Unterlagen, Dokumente, Papiere - bis hin zum Bonbonpapier - aufzubewahren. Die Archivare im Ghetto, dem "Wartesaal zum Tod", wie der Vorsitzende des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel, 2003 formulierte, notierten alles, was sie selbst erlebten. Sie befragten und sie schrieben auf - immer unter Lebensgefahr. Ohne das Archiv wüssten wir heute nichts über das AlltagsLeben der Juden unter unmenschlichen Bedingungen.

Im Ghetto, das die Nazis den "Jüdischen Wohnbezirk" nannten, waren seit Januar 1940 zeitweise mehr als 500.000 Menschen zusammengepfercht. Ab Juni 1942 begannen die Nazis mit dem, was sie "Aussiedlungen" nannten. Die Menschen wurden in die Gaskammern von Treblinka deportiert.

Am 19. April 1943 begann der Aufstand der Verzweifelten im Ghetto. Der Kampf dauerte einen Monat. Am 16. Mai 1943 meldete SS-Brigadeführer Jürgen Stroop nach Berlin: "Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr." Stroop war gebürtiger Detmolder.

Das wieder entdeckte Archiv ist UNESCO-Weltkulturerbe

Mit Stroop und dem Ghetto beschäftigt sich Dr. Jürgen Hensel vom Jüdischen Historischen Institut in Warschau am Donnerstag, 27. Januar, um 19.30 Uhr im Historischen Museum Bielefeld.

Am Sonntag, 30. Januar, um 11 Uhr liest der Schauspieler Stefan Gohlke im Murnausaal aus dem "Großen Gesang vom ausgerotteten jüdischen Volk".

Am Donnerstag, 20. Januar, um 19.30 Uhr geht es im Murnausaal um das Leben und Sterben eines Mörders, des SS-Mannes Josef Blösche.

Das Archiv, das vergraben war und erst 1946 und 1950 wieder entdeckt wurde, gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO.


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