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Lippische Landes-Zeitung , 30.12.2004 :

Ein Kniegelenk aus Solidarität / Klinikum behandelt Zwangsarbeiterin

Detmold (te). Als junge Frau hat sie in Deutschland und unter Deutschen gelitten, jetzt haben ihr die Deutschen als Wiedergutmachung helfen können. Marianna Gluszak aus Wroçlaw (früher Breslau) hat im Klinikum Detmold ein neues Kniegelenk bekommen. Sie ist die vierte ehemalige Zwangsarbeiterin, die vom Klinikum im Rahmen der Aktion "Aktive Solidarität" kostenlos mit einer Prothese versorgt wurde.

Die Polin Marianna Gluszak (82) musste von 1940 bis 1945 als Zwangsarbeiterin auf einem Bauernhof bei Berlin gemeinsam mit 14 Landsleuten schuften. Nach Kriegsende kehrte sie in ihre Heimatstadt Breslau zurück. Als alte Dame leidet sie unter dem Verschleiß der Kniegelenke. Vor gut einem Jahr schrieb sie deshalb die Warschauer Stiftung für polnisch-deutsche Aussöhnung an, die den Wunsch nach Hilfe an das Koordinationszentrum der Aktion "Aktive Solidarität" an der Universität Magdeburg weiter leitete. Von dort führte der Weg nach Detmold. In Polen hätte sie mehr als drei Jahre auf eine Operation warten und dann mindestens 1.500 Euro für die Prothese bezahlen müssen.

Privat-Dozent Dr. Reinhard Brückl, Chefarzt der orthopädischen Klinik in Detmold, wirkt an der Aktion mit. "Die Geschäftsleitung des Klinikums hat sich entschlossen, pro Jahr kostenlos zwei ehemalige Fremdarbeiter zu versorgen. Die Firma Implantat-Service stellt uns dafür die Prothesen kostenlos zur Verfügung, die Firma Westerfeld Gehstützen und Greifzangen, damit sich die Patienten nicht so bücken müssen", erläutert er. Jetzt wird die Frau ebenfalls kostenlos eine Anschlussheilbehandlung in der Rose-Klinik in Horn-Bad Meinberg erhalten. "Wir wollen, dass die Patientin einer Deutschen gleich gestellt wird", sagt Dr. Gerd Verlohren, ärztlicher Direktor der Klinik. Diese ineinandergreifende Therapie für ehemalige Zwangsarbeiter sei deutschlandweit einmalig.

Marianna Gluzsak ist die vierte Patientin, die so behandelt wird. Insgesamt sind in der Bundesrepublik seit 2001 200 ehemalige Zwangsarbeiter mit neuen Hüft- oder Kniegelenken ausgestattet worden. Die 82-jährige Polin erhielt ein so genanntes achsgeführtes Gelenk im linken Bein. "Das soll ihr Stabilität und Schmerzfreiheit sichern, denn die Bänder im Kniegelenk sind nicht mehr sehr stabil", erklärt Oberarzt Dr. Hans Braun, der die Operation vorgenommen hat.

"Sie haben mir die Hälfte meiner Schmerzen genommen", sagt sie dankbar zu den Ärzten. Die Hälfte, weil auch das rechte Kniegelenk einer Behandlung bedarf. "Da sollte man in einem halben Jahr dran gehen", so Brückl. Vielleicht wieder in Detmold.


detmold@lz-online.de

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