Neue Westfälische ,
30.12.2004 :
Odyssee eines Kindes / Hilfsorganisation übt Kritik an Behörden
Von Hubertus Gärtner
Bielefeld/Paderborn. Der Bürener "Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft" beklagt "katastrophale Bedingungen" im Umgang mit einem jugendlichen Inder, der elf Tage vor Heiligabend illegal nach Deutschland gekommen ist. Kulwinder S. werde in einem "Kompetenzgerangel" zwischen den Behörden "hin- und her geschoben" sagt der Vereinsvorsitzende Frank Gockel. In Ostwestfalen sei der Junge zum "Strandgut" geworden.
Am 13. Dezember war Kulwinder S. nach einer traurigen Odyssee von einer Schlepperbande über Polen illegal nach Deutschland gebracht worden. Angeblich zahlten seine Eltern für die Schleusung 5.000 Dollar. In Herne schlüpfte Kulwinder S. zunächst bei einem indischen Landsmann unter. Bereits einen Tag nach der Einreise bekam die Polizei Kenntnis von dem illegalen Aufenthalt. Kulwinder S. wurde festgenommen.
Die Ausländerbehörde in Herne stellte umgehend einen Abschiebehaftantrag. Der minderjährige Flüchtling, der von sich sagt, er sei 16 Jahre alt, wurde sodann in den Abschiebeknast nach Büren transportiert, wo er mehrere Tage saß. Mithäftlinge alarmierten schließlich Frank Gockel. Dieser fand Kulwinder S. "völlig verstört und verschüchtert" im Knast vor. Kulwinder S. habe auf ihn "wie ein hilfloses Kind" gewirkt. Er sei vermutlich noch keine 16 Jahre alt, sagt Gockel.
Schließlich erreichte der Vereinsvorsitzende, dass der Minderjährige am 23. Dezember nicht mehr im Abschiebegefängnis bleiben musste und im Paderborner Vincenz-Haus Unterschlupf finden konnte. Dort verbrachte Kulwinder S. die Feiertage. Einen Tag nach Weihnachten begleitete Gockel seinen Schützling zur Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) nach Bielefeld. "Um den Zustand der Illegalität zu beenden und eine Aufenthaltsgestattung zu bekommen, musste ein Asylantrag gestellt werden", sagt Gockel.
Das ZAB habe daraufhin verfügt, dass Kulwinder S. Bielefeld vorläufig nicht mehr verlassen dürfe und den Jugendlichen in einem heruntergekommenen Gebäude an der Gütersloher Straße untergebracht. Dort sitze der junge Inder, der nur seine Muttersprache beherrsche, mit drei fremden Erwachsenen auf einem Zimmer und wisse "weder vorwärts noch rückwärts". Gockel sagt, das Verhalten der ZAB sei "jugendgefährdend". All seine Versuche, zwischen den Feiertagen das Bielefelder Jugendamt einzuschalten, seien fehlgeschlagen. Die Behörden in der Region fühlten sich in dem Fall "nicht mehr zuständig".
Ein Sprecher der ZAB in Bielefeld sagte auf Anfrage, man habe sich entsprechend dem Asylverfahrensgesetz verhalten. Das Haus an der Gütersloher Straße sei "geeignet" um dort einen 16-jährigen Flüchtling ein paar Tage unterzubringen. Kulwinder S. werde bereits heute einer Aufnahmeeinrichtung in Trier "zugewiesen". Grund dafür seien die Vorschriften nach dem Asylverfahrensgesetz, wonach zwischen den Bundesländern eine "gleichmäßige Verteilungsquote" erreicht werden müsse.
In Trier werde Kulwinder S. bis zum Abschluss seines Asylverfahrens "entsprechend seinem Alter untergebracht und von Sozialarbeitern betreut".
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