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Schaumburger Zeitung , 29.12.2004 :

Hobbyforscher: Bomber-Abschüsse verwechselt / Andreas Amelung belegt: US-Bomber "Hare Power" ist über Deckbergen abgeschossen worden

Deckbergen (who). Bei Luftkämpfen während des Zweiten Weltkriegs hatten deutsche Jagdflieger am 26. November 1944 über dem Wesertal zwei amerikanische Bomber vom Typ B 24 abgeschossen. Beide Flugzeuge gehörten zur 491 Bombardement Group "Ringmasters". Bisherige Annahmen lokalisierten den Absturzort des Bombers "Hare Power" bislang bei Rehren im Auetal (wir berichteten) und den der anderen Maschine, genannt "Scareface", im Wald oberhalb von Deckbergen. Für die meisten Flugzeugbesatzungen war es üblich, ihren Maschinen fantasievolle Namen zu geben – ein Versuch, das Grauen des Krieges ein wenig abzumildern.

"Es war tatsächlich genau umgekehrt", hat Andreas Amelung aus Extertal-Rott bei eigenen Recherchen heraus gefunden. Der Objektschutzangestellte und frühere Bundeswehrsoldat interessiert sich seit früher Jugend für die Fliegerei und das Aufspüren von Bodenfunden, insbesondere im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg.

"Ich habe schon früher mit meinem Vater zusammen recherchiert", erklärt er, "und als mein Schwager mir 1995 sagte, über Deckbergen sei im Krieg ein Flugzeug abgeschossen worden, haben wir beide uns noch am selben Tag auf die Suche gemacht".

Der zuständige Förster habe die Absturzstelle angeben können und mit bloßem Auge und ohne Metalldetektor hätte die erste Nachschau eindeutige Beweise erbracht: "Wir haben Flugzeugteile und typische großkalibrige Bordwaffenmunition sowie leere Patronenhülsen vom Kaliber 12,7 mm gefunden. Und weil wir wussten, dass die Hülsen der Jagdflugzeug-Maschinengewehre nach draußen geschleudert und verstreut wurden und nicht wie bei Bombern im Flugzeug verblieben, konnte es sich nicht um einen abgeschossenen amerikanischen Jäger handeln."

Im Buch "Der Zweite Weltkrieg zwischen Teutoburger Wald, Weser und Leine" von Heinz Meyer hat Andreas Amelung einen weiteren Hinweis auf den Absturz eines "Liberator"-Bombers bei Deckbergen gefunden: "Damit wusste ich jetzt ganz genau, um welchen Flugzeugtyp es ging."

Die alten Berichte hätten belegt, eine weitere Maschine vom Typ B 24 sei im Auetal bei Rehren niedergegangen auf der anderen Seite des Wesergebirgskammes. Dass die Ereignisse und besonderen Umstände vom 26. November 1944 zu einer Verwechslung geführt hätten, sei durch intensivere Nachforschungen bei amerikanischen Quellen ans Licht gekommen.

"Ich hatte als Ausgangsbasis das Absturzdatum und den Bombertyp, damit konnte ich über Aufzeichnungen der US-Airforce und die Homepages der damaligen amerikanischen Luftwaffeneinheiten die Geschwader und sogar die Namen der Besatzungsmitglieder der abgeschossenen Flugzeuge ermitteln", berichtet Amelung.

Der entscheidende Hinweis für die letztendliche Aufklärung der Verwechslung sei jedoch von Angelika Schierhölter gekommen, die sich um das Archiv ihrer Kirchengemeinde in Deckbergen kümmert.

Für den 27. November 1944 verzeichnet das Deckberger Kirchenarchiv die Beisetzung von Besatzungsmitgliedern amerikanischer Flugzeuge, sowie von menschlichen Überresten. Ein Nachtrag vom 29. November 1944 berichtet, der Landwachtmann Karl Brandt habe in der Nähe des Absturzortes bei Deckbergen den Ausweis eines Fliegers gefunden. Sein Name: Frank Clifford Roe, geboren am 22. September 1921 in Springfield, Tennessee.

Bei der eingehenden Sichtung von US-Airforce-Aufzeichnungen ist Andreas Amelung auf den selben Namen gestoßen. Ausgangsbasis für diese Aufzeichnungen sind unter anderem die so genannten "Zonensuchbescheinigungen" gewesen, die die alliierte Militärverwaltung nach dem Krieg von den deutschen Bürgermeistern verlangte für die Suche und Identifizierung getöteter Soldaten.

Noch zwei weitere Namen der Besatzung der "Hare Power" finden sich in diesen Unterlagen. Weitere Aufzeichnungen aus Hattendorf im Auetal belegen die Beisetzung eines amerikanischen Fliegers auf dem örtlichen Friedhof. Chester Adkins war sein Name, und wie Frank Clifford Roe gehörte er als Co-Pilot jedoch zweifelsfrei zur "Hare Power"-Mannschaft, die in Wirklichkeit bei Deckbergen abgestürzt war.

Die Lösung des Rätsels: Chester Adkins hatte wie seine Kameraden versucht, durch Fallschirm-Absprung aus dem getroffenen Bomber sein Leben zu retten. In rund 6.000 Metern Höhe ist Adkins aus dem brennenden Flugzeug gesprungen. Dabei hatte er das Schicksal vieler Kameraden geteilt: Ohne Schleudersitz und damit ohne Chance, schnell weitgenug von der abstürzenden Maschine wegzukommen, wurde er von deren Teilen schwer verletzt. Er verlor beide Füße, wurde von seinem Fallschirm über die Weserberge hinweg bis ins Auetal getragen und verstarb mangels ausreichender ärztlicher Hilfe noch am selben Tage. Und auch das hat Andreas Amelung heraus gefunden: Nur wenige Flieger beider Maschinen haben den Absturz überlebt. Zwei waren es von der Besatzung der "Hare Power". Pilot Floyd I. Weitz und der MG-Schütze vom oberen Geschützturm, William B. Bigham.

Kenneth M. Peifer als Heckschütze der bei Rehren abgeschossenen "Scarface" ist der einzige Überlebende seiner Crew gewesen.


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