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Lippische Landes-Zeitung ,
07.05.2001 :
"Ganz deutliche Verantwortung" / Informationsveranstaltung über Karl Friedrich Titho in der Burgscheune
Horn-Bad Meinberg (upf). "Er ist Chef gewesen. Ein Chef weiß, was passiert, er hat die Verantwortung" – so lautet das Fazit von Raphaela Kula über Karl Friedrich Titho. Die Person des früheren SS-Lagerleiters stand im Mittelpunkt einer Informationsveranstaltung in der Burgscheune Horn am Freitagabend. Viel Neues zu Titho, seiner mutmaßlichen Beteiligung an NS-Verbrechen und dem heutigen Umgang damit förderte der von der Arbeitsgemeinschaft Fossoli veranstaltete Abend jedoch nicht zu Tage.
Dieter Zoremba ging auf die Biographie des heute 89-jährigen ein. Tithos Eintritt in die SS 1932 – im Alter von 21 Jahren – sei "ein sehr bewusster Schritt" gewesen, ebenso die Übernahme von Ämtern und Funktionen in der NSDAP, der er 1933 beigetreten sei. Ab 1937 ist Titho Kraftfahrer beim Sicherheitsdienst (SD) in Frankfurt und Kassel, 1940 wird er persönlicher Fahrer des SS-Standartenführers Wilhelm Harster, der ihn 1944 als späterer Befehlshaber der Sicherheitskräfte in Verona zum Leiter des Polizeidurchgangslagers Fossoli ernennt. Bereits 1942 war Titho nach Zorembas Schilderungen im SS-Lager Amersfoort in Holland als Mitglied eines Erschießungskommandos an der Ermordung von 70 sowjetischen Kriegsgefangenen beteiligt. Zoremba: "Rein rechnerisch hat Titho 15 Gefangene durch Kopfschuss getötet." Dafür sei er 1951 von einem Gericht in Utrecht zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Zu Tithos Funktion als Lagerleiter in Fossoli und später in Bozen sagte Zoremba: "In diesem Zusammenhang ist eine ganz deutliche Verantwortung von Titho im Gesamtprozess der Vernichtung der italienischen Juden festzustellen." Tithos Aussage in der Presse über seine Verstrickung bezeichnete Zoremba als zynisch. Er wies darauf hin, dass Ende vergangenen Jahres der frühere Bozen-Wachmann Michael Seifert von einem italienischen Gericht wegen mehrfachen Mordes verurteilt worden sei.
Auf den Umgang der deutschen Justiz mit dem Fall Titho ging Raphaela Kula ein, die kritisierte, es gebe "kein richtiges Verfolgungsinteresse". Titho habe als Lagerleiter gewusst, was mit den Deportierten in den KZ`s geschehe, er habe also auch Verantwortung. Den Hinweis der Zentralstelle Dortmund in den Ermittlungsakten, Titho sei keine strafbare Förderung von Juden nachzuweisen, da ihm nichts bekannt gewesen sei, kommentierte Kula: "Wenn ich das lese, macht es mich nervös." Sie rief dazu auf, einen gesamtgesellschaftlichen Umgang mit der Verantwortung Tithos zu finden, "das heißt aber nicht, gleich zu seinem Haus zu gehen und die Fenster einzuschmeißen".
Die Ereignisse im faschistischen Italien, die schließlich in der deutschen Besetzung des ehemals verbündeten Landes und der Errichtung von Lagern wie Fossoli mündeten, beschrieb Sanne Kaperlat in einem ausführlichen Vortrag. Das faschistische Regime unter Mussolini habe bereits 1938 Rassegesetze erlassen, aufgrund derer Listen von Juden angelegt worden seien: Diese hätten später der SS die Deportation wesentlich erleichtert. Das Lager Fossoli, früher ein Gefangenenlager für alliierte Soldaten, habe unter deutscher Leitung von Anfang an ein klares Ziel gehabt: Die Deportation von Juden und politischen Gefangenen in die Konzentrationslager. "Titho ist für diese Morde niemals verurteilt worden", sagte Kaperlat. Die AG Fossoli wolle sich dafür einsetzen, dass in Horn eine Straße nach dem Mädchen Gina Labi benannt werde, das im Alter von sechs Wochen deportiert und ermordet wurde – dies sei ein Vorschlag von noch lebenden Zeitzeugen, so Kaperlat.
Die anschließende Diskussion geriet zu einem teilweise heftigen Schlagabtausch über politische Positionen: "Es ist nicht sinnvoll, hier eine innerlinke Diskussion zu führen", versuchte Dieter Zoremba auf das eigentliche Thema des Abends zurückzukommen. Verschiedene Sprecher nutzten die Gelegenheit, die Bevölkerung der Stadt Horn-Bad Meinberg und Bürgermeister Eberhard Block anzugreifen, da sie Titho gesellschaftlich für seine Taten nicht zur Rechenschaft zögen. Versöhnlicher gab sich eine Stimme aus dem Publikum, die forderte, das Augenmerk auf die Umstände zu richten, unter denen Titho zum Täter habe werden können.
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