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Neue Westfälische , 26.01.2015 :

AfD-Chef stellt sich in die rechte Ecke / Kreisvorsitzender aus Gütersloh richtet umstrittenen Kongress mit Verschwörungstheoretikern aus

Von Ludger Osterkamp

Gütersloh. Der Gütersloher Kreis- und Bezirksvorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD), Udo Hemmelgarn, ist in die Kritik geraten. Gemeinsam mit anderen führenden AfD-Mitgliedern veranstaltet Hemmelgarn im März den so genannten "1. Alternativen Wissenskongress" in Witten. Laut Rednerliste treten dort Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretiker mit zum Teil antisemitischen Wirtschaftstheorien auf.

Der Rat der Stadt Witten will heute zu Beginn seiner Sitzung eine Erklärung verabschieden, mit der er sich ausdrücklich von diesem Kongress distanziert. Den Antrag haben Politiker sämtlicher Fraktionen gestellt. Zur Begründung verweisen sie auf die vier Referenten, "die für ihre verschwörungstheoretischen und rechten bzw. Querfront-Positionen bekannt sind": Jürgen Elsässer, Karl Albrecht Schachtschneider, Eberhard Hamer und Andreas Popp.

Den "Alternativen Wissenskongress" hatten ursprünglich die fünf nordrhein-westfälischen AfD-Bezirksverbände organisiert. Er soll am 22. März in der Stadthalle Witten stattfinden. Nachdem WDR, Welt und WAZ darüber berichtet hatten, zum Teil mit deutlichen Worten ("Plattform für Verschwörer und Wirrköpfe") hatten sich die Parteispitzen wie Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel öffentlich davon distanziert und ihre Parteimitglieder aufgefordert, der Veranstaltung fernzubleiben. Doch statt den Kongress abzusagen, gründeten führende AfD-Mitglieder den "Verein zur Förderung des politischen Dialogs" und sprangen damit in die Bresche. Als Adresse gibt der Verein jene von Udo Hemmelgarn in Harsewinkel an.

Der 55-Jährige bestätigte gestern, dass er dem Verein angehöre. Er sei Beisitzer im Vorstand und regele dessen Schriftverkehr. Vorsitzender sei Sebastian Schulze, Mitglied im Vorstand des AfD-Bezirks Arnsberg. Auch die Mitglieder Nic Vogel (Düsseldorf) und Ingo Schumacher (Köln) gehören den AfD-Vorständen in ihren Bezirken an.

Der Verein habe sieben Mitglieder und damit die Mindestzahl, sagte Hemmelgarn. Sein Ziel sei es, "zur politischen Kultur beizutragen und Andersdenkende zu Wort kommen zu lassen". Die Vehemenz der Kritik an dem Kongress könne er nicht nachvollziehen. "Wir treten für den offenen politischen Dialog ein, und dazu gehört es, dass man auch Referenten hört, deren Meinung nicht mit dem Mainstream übereinstimmt."

Die vier Referenten Elsässer, Schachtschneider, Hamer und Popp sind in der Vergangenheit wegen ihrer rechtsaffinen Haltung bekannt geworden. Elsässer, Chefredakteur des Magazins Compact, hatte 2009 die Wahl des Holocaust-Leugners Mahmud Ahmadinedschad zum iranischen Präsidenten begrüßt und sich dagegen gewandt, "die deutschen Holocaust-Meinungsgesetze auch auf den iranischen Präsidenten anzuwenden". Nach der in Gewalt eskalierten Hooligan / Salafisten-Konfrontation in Köln im Oktober vergangenen Jahres schrieb er, es sei "ein großer Schritt nach vorne, dass die Hools gemeinsam etwas für ihr Land tun wollen".

Schachtschneider trat 2005 als Sachverständiger für die NPD-Fraktion im sächsischen Landtag auf und hielt 2009 vor der rechtspopulistischen Gruppierung "pro Köln" einen Vortrag gegen den Bau von Großmoscheen. Hamer, lange Jahre Wirtschaftsprofessor an der Fachhochschule Bielefeld, vertrat zuletzt die These, dass einige wohlhabende Bankiersfamilien die Weltherrschaft übernommen hätten, ihr Plan sei es, Staaten durch hohe Schuldenlasten zu unterwerfen. Popp bezeichnete gewählte Regierungen als "Abteilungen von Banken" und Staatschefs sowie Medien als "von der Hochfinanz gesteuerte Handlanger"; er fällt immer wieder durch latent antisemitische Äußerungen auf.

Info / 60 Mitglieder

Udo Hemmelgarn ist der Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Gütersloh und Sprecher des Bezirksvorstandes Detmold.

Dem Kreisverband der AfD gehören 60 Mitglieder an, dem Bezirksverband 400.

Hemmelgarn (55), ein selbstständiger Kaufmann, lebt in Harsewinkel.

Im Gütersloher Kreistag bildet die AfD mit der FDP die "Liberale Fraktion". Ihr gehören vier Mitglieder an. Die Kreis-FDP hatte die Fraktion gegen den Willen ihres Bundesvorsitzenden Christian Lindner gebildet.

Landrat Adenauer hatte die Liberale Fraktion juristisch prüfen lassen und für rechtmäßig erklärt.

Bildunterschrift: In der Kritik: Udo Hemmelgarn aus Gütersloh.

Bildunterschrift: Rechtsaffine Haltung: Kongress-Referent Jürgen Elsässer.

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Zeitung für Gütersloh, Rheda-Wiedenbrück, Rietberg und Harsewinkel / Westfalen-Blatt, 24./25.01.2015:

Partei findet großes Interesse / Seite der Rietberger AfD im Internet erhält mehr Zuspruch als CDU, FWG und SPD zusammen

Von Stefan Lind

Rietberg (WB). Es ist ein Phänomen der ungewöhnlichen Art: Während die Facebook-Seiten von CDU, FWG und SPD in Rietberg nur von wenigen Leuten mit "Gefällt mir" gekennzeichnet werden - es sind zwischen 60 und 80 - erfreut sich die Seite der AfD großer Beliebtheit. Stand der Unterstützter am Freitag: 507. Das Westfalen-Blatt hat nachgefragt und nicht immer Antwort bekommen.

Anruf beim Kreissprecher der Alternative für Deutschland. Udo Hemmelgarn aus Harsewinkel bestätigt: Ja, die Seite "AfD Rietberg" werde von einem Parteimitglied betreut. Es handele sich um Frank Aelker, 53, Frührentner, wohnhaft in Rietberg. Dieser sei zwar für die AfD bei der Kreistagswahl 2014 angetreten (siehe Info-Kasten), "aber er war nur ein Zählkandidat". Aelker habe keine Funktionen in der Partei. Ohnehin sei die Zahl der Mitglieder in Rietberg nicht hoch. Hemmelgarn schätzt sie auf ein halbes Dutzend.

Noch bevor eine Westfalen-Blatt-Anfrage mit der Bitte um ein Gespräch bei Aelker ankommt, hat dieser bereits erfahren, dass sich die Medien für ihn interessieren. Er schreibt "in eigener Sache" und gibt gleich ein paar Antworten: "Zwanghaft wird versucht, die Menge der "Gefällt mir"-Angaben irgendwie mit Rechtsextremismus in Verbindung zu bringen. Anders ausgedrückt gibt es einen Pressevertreter, der sich darüber wundert, dass diese Seite schon jetzt mehr "Gefällt mir"-Angaben als alle unsere anderen Parteien bei uns in Rietberg hat. Nun, liebe Presse und sonstige Neider, es ist eben, wie es ist. Im Gegensatz zu den Alt-Parteien, bei denen massiver Mitgliederschwund einkehrt, bekommt die AfD zum Glück jeden Tag neue Mitglieder hinzu." Die Bitte, mit dem WB ein Gespräch zu führen, lehnt Aelker ab. Ihm sei schon klar, in welche Richtung der Beitrag zielen solle, "und daran habe ich dann kein Interesse".

So bleibt nur die Möglichkeit, weitere Zitate zusammenzutragen. Es ist schwer, die Übersicht zu behalten, denn der 53-Jährige schreibt auf mehreren Seiten, auch unter seinem eigenen Namen, außerdem gründet er spezielle Interessengruppen, die zum Teil nichtöffentlich sind. Gleichzeitig löscht er frühere Einträge oder benennt Gruppen um. Aus "Rietberger Meinungsdiktatoren und andere Nazis" wird dann "Rietberg ohne Meinungsdiktatoren". Hier einige Aelker-Zitate: "Wir werden nur noch von Vollidioten regiert." Die Politik des SPD-Chefs Sigmar Gabriel bezeichnet er als "extremst geisteskrank". Ein Leser schreibt zu einem Eintrag, in dem der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir zitiert wird, in rumpeligem Deutsch folgendes: "Halt Einfach deine Fresse du Dummer ( ... ) Wir Brauchen keine Türken oder Islamisten hier in unserem Land und Erst recht nicht in der Politik."

Der Eintrag ist mittlerweile verschwunden, ebenso wie ein Wortwechsel zwischen einem anderen Nutzer der AfD-Seite und Frank Aelker über die Pegida-Gegendemo "Für ein buntes Bielefeld" am Montag. Dem Westfalen-Blatt liegt jedoch der Screenshot vor. Darin schreibt der Leser: "Blaue Augen und blau-grüne Flecken von Hämatomen sind auch bunt, oder?" Antwort Aelker: "Haha, stimmt, und zwar richtig schön bunt, wenn es denn bei den richtigen angebracht ist."

Das hatte SPD-Fraktionschef Gerd Muhle gelesen und sich in die Diskussion eingeschaltet. Wenn das eine Drohung als Aufforderung zur Gewalt sei, wäre das ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Antwort Aelker: "Quatsch, das ist einfach Blödsinn." Muhle hat die Auseinandersetzung mit den AfD-Leuten inzwischen aufgegeben: "Das bringt nichts." Dennoch hält er viele Äußerungen Aelkers im Netz für "nicht mehr tolerabel". Er habe nichts gegen Leute mit konservativer Grundeinstellung, "aber das hier ist menschenverachtende Hetze". Eine solche Facebook-Seite schade dem Image Rietbergs. AfD-Kreis-Chef Udo Hemmelgarn hat angekündigt, er wolle sich die Aktivitäten Aelkers genau anschauen: "Wenn er übers Ziel hinausschießt, werde ich einschreiten."

388 Stimmen bei der Europawahl

Frank Aelker ist am 25. Mai 2014 als Kandidat der Alternative für Deutschland (AfD) bei der Kreistagswahl angetreten. In seiner Heimatstadt Rietberg holte er 2,14 Prozent der Stimmen, in Zahlen 269. Anders sieht das Ergebnis schon bei der parallel durchgeführten Europawahl aus. Da holte die AfD in Rietberg 388 Stimmen, also 3,2 Prozent, und fand damit mehr Unterstützung als die FDP (384 Wähler) und die Linke (291 Wähler).

Im gesamten Kreis Gütersloh machten 6716 Bürger bei der Europawahl auf dem Stimmzettel ihr Kreuz bei der AfD. Das entspricht einem Anteil von 4,81 Prozent. Damit lag die Partei auch hier vor der FDP und der Linken.

Bildunterschrift: Blick auf die Facebook-Seite der Alternative für Deutschland (AfD) in Rietberg, Stand Freitagmittag, mit 507 "Gefällt mir"-Klicks. Zum Vergleich: die CDU hat 86, die FWG 68, die SPD 97.

Bildunterschrift: AfD-Kreissprecher Udo Hemmelgarn.


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