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Landgericht Detmold ,
05.07.2001 :
... wegen übler Nachrede ... / alte Pauline
4 Qs 126/01 LG Detmold
4 Gs 1117/00 AG Detmold
4 Gs 320/01 AG Detmold
Beschluss
In dem Ermittlungsverfahren
g e g e n …
w e g e n übler Nachrede u. a.
- Verteidiger: Rechtsanwalt Meyners in Detmold –
Auf die Beschwerde des Beschuldigten gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 11. August 2000 (4 Gs 1117/00) und vom 27. Februar 2001 (4 Gs 320/01) hat die Strafkammer I des Landgerichts Detmold am 5. Juli 2001 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Reineke
den Richter am Landgericht Dr. Mertens und
den Richter am Landgericht Pohlmeier
nach Anhörung der Staatsanwaltschaft b e s c h l o s s e n:
Es wird festgestellt, dass die am 6. April 2001 vorgenommene Durchsuchung der Wohnung sowie der Nebenwohnung des Beschuldigten rechtswidrig war.
Die weitergehende Beschwerde wird verworfen.
Der Beschuldigte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, jedoch werden die Gerichtsgebühr um die Hälfte ermäßigt und die gerichtlichen und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten zur Hälfte der Staatskasse auferlegt.
G r ü n d e :
Durch den Beschluss vom 11. August 2000 ordnete das Amtsgericht "in dem Ermittlungsverfahren gegen" den Beschwerdeführer "wegen übler Nachrede u. a.“ die Durchsuchung seiner Person, seiner Wohnung, seiner Fahrzeuge und "der sonstigen von ihm benutzten Aufenthalts- und Geschäftsräume in seiner Nebenwohnung ... , und in seiner Hauptwohnung ... in 32756 Detmold" an, da zu erwarten sei, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln führen werde, nämlich "Datenträger auf Festplatten, Schriftsätzen und Plakaten, die die Mitwirkung an dem Inhalt der Internetseite belegen" könnten. Weiter heißt es in der angefochtenen Entscheidung:
"Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, bei der Fertigung von Flugblättern und einer Internetseite mitgewirkt zu haben, die einen verleumderischen Inhalt zum Nachteil der Zeugen Karl Titho und Rechtsanwalt Arndt Kuhlmann aufweisen."
Zugleich ordnete das Amtsgericht die Beschlagnahme der vorgefundenen Beweisstücke an und beschränkte die Gültigkeit seines Beschlusses auf sechs Monate. Durch den weiteren Beschluss vom 27. Februar 2001 verlängerte es die Gültigkeit seiner Durchsuchungsanordnung vom 11. August 2000 – ohne nähere Begründung – um drei Monate.
Am Vormittag des 6. April 2001 durchsuchten Beamte der Kriminalpolizei in Bielefeld die Wohnung und die Nebenwohnung des Beschuldigten und beschlagnahmten dessen PC, dessen Laptop, vier Disketten und sechs CD-Roms. Während sich die Disketten und die CD-Roms nach wie vor im Gewahrsam der Kriminalpolizei befinden, wurden alle weiteren beschlagnahmten Gegenstände dem Beschuldigten inzwischen wieder zurückgegeben.
Mit seiner Mitte April eingegangenen Beschwerde begehrt der Beschuldigte die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse sowie die Feststellung, dass die Durchsuchung rechtswidrig war. Er meint, dass gegen ihn kein hinreichender Tatverdacht der Verleumdung bestanden habe. Der weitere Beschluss vom 27. Februar 2001 sei ebenfalls rechtswidrig, da er erst nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der Durchsuchungsanordnung vom 11. August 2000 ergangen sei.
Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.
Die Durchsuchung der Wohnung und der Nebenwohnung des Beschuldigten vom 6. April war rechtswidrig, weil sie einer ausreichenden rechtlichen Grundlage entbehrte.
Eine Durchsuchung – sei es beim Verdächtigen (§ 102 StPO) oder bei anderen Personen (§ 103 StPO) – bedarf nach § 105 Abs. 1 StPO grundsätzlich einer richterlichen Anordnung, zumal eine solche Strafverfolgungsmaßnahme schon ihrer Natur nach regelmäßig schwerwiegend in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen, namentlich auch in das Grundrecht aus Art. 13 GG eingreift (BVerfG, NJW 1992, Seite 551). Allerdings schafft nur ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss, der den Rahmen, die Grenzen und den Zweck der in Aussicht genommenen Durchsuchung definiert, d. h. durch geeignete Formulierungen im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherstellt, dass der mit der Durchsuchung verbundene Grundrechtseingriff auf das unbedingt Erforderliche begrenzt wird und zugleich messbar und kontrollierbar bleibt, eine hinreichende rechtliche Grundlage für die konkrete Maßnahme (BVerfG, Beschluss vom 27. Mai 1997 – 2 BvR 1992/92 – und Beschluss vom 5. Mai 2000 – 2 BvR 2212/99). Um rechtsstaatlichen Mindestanforderungen zu genügen, muss eine Durchsuchungsanordnung folgerichtig den Tatvorwurf so eingrenzen, dass sowohl die Durchsuchungsbeamten als auch der Betroffene klar erkennen können, worauf die Durchsuchung zielt. Dazu reicht es nicht aus, nur den jeweiligen Straftatbestand zu nennen. Vielmehr muss der dem Vorwurf zugrunde liegende Lebenssachverhalt durch tatsächliche Angaben umrissen werden. In welchem Umfang dies im Einzelfall zu geschehen hat, bestimmt sich nach der jeweiligen Deliktsart und dem Stand der Ermittlungen im Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung. Regelmäßig werden aber Angaben zum Tatopfer, zu Tatort und –zeit und zum Tathergang dazugehören. Ferner müssen die den Tatverdacht begründenden konkreten Anhaltspunkte benannt sein. Insoweit genügt allerdings eine nur umrisshafte Darstellung, um den Ermittlungszweck nicht zu gefährden. Schließlich sind die zu durchsuchenden Räumlichkeiten und gegebenenfalls die aufzufindenden Beweismittel so genau wie möglich zu bezeichnen.
Die Durchsuchungsanordnung vom 11. August 2000 wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Sie enthält keine zureichenden tatsächlichen Angaben zum Inhalt des Tatvorwurfs. Obwohl es nach dem damaligen Ermittlungsstand ohne weiteres möglich gewesen wäre, den Tatvorwurf näher zu konkretisieren, ist in dem Beschluss nur ganz pauschal davon die Rede, dass der Beschuldigte "bei der Fertigung von Flugblättern und einer Internetseite" mit "verleumderischen Inhalt" mitgewirkt habe. Daneben enthält die Durchsuchungsanordnung nur noch den Hinweis "wegen übler Nachrede u. a.". Angaben zu dem "verleumderischen Inhalt" der Flugblätter und der Internetseite fehlen dagegen.
Weiter kommt hier entscheiden hinzu, dass die Durchsuchungsanordnung schon nicht mehr gültig war, als die Wohnung und die Nebenwohnung des Beschuldigten durchsucht wurden. Dies geschah am 6. April 2001. Der Beschluss vom 11. August 2000 war aber nur sechs Monate, also bis zum 11. Februar 2001 gültig. Daran vermochte auch der weitere Beschluss vom 27. Februar 2001 nichts mehr zu ändern, zumal er erst nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der Durchsuchungsanordnung erging.
Die Beschwerde des Beschuldigten ist unbegründet, soweit sie sich gegen die am 6. April 2001 vorgenommene Beschlagnahme richtet. Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen besteht der begründete Verdacht, dass sich der Beschuldigte eines Vergehens der üblen Nachrede nach § 186 StGB zum Nachteil des Rechtsanwalts Arnd Kuhlmann in Detmold schuldig gemacht hat. In einem undatierten "Brief", der sich mit dem Vorleben eines seiner Mandanten befasst und der über das Internet verbreitet wurde, wurde Rechtsanwalt Kuhlmann als "ehemaliges Mitglied der SS-Leibstandarte Adolf Hitler" bezeichnet. Diese ehrenrührige Tatsachenbehauptung ist erwiesenermaßen unwahr. Rechtsanwalt Kuhlmann wurde erst im Jahre 1944 geboren. Es bestehen überdies zureichende Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte daran beteiligt war, den "Brief" mit der ehrenrührigen Behauptung zu verfassen und über das Internet zu verbreiten. Zwar haben sich in dem "Brief" dessen Verfasser und Absender nicht namentlich zu erkennen gegeben. Sie haben darin aber ihre E-Mail-Adresse mit dummefrage@alte-pauline.de angegeben. Nach der Ermittlungen der Kriminalpolizei handelt es sich dabei um die E-Mail-Adresse der "Kulturinitiative Detmold e.V.", dessen Vorstands-Vorsitzende der Beschuldigte ist. Zugleich ist er nach den Internetüberprüfung als Verantwortliche für die Hompage des Vereines mit den Namen "alte-pauline.de" anzusehen.
Im übrigen ist die Beschlagnahme auch nicht unverhältnismäßig, ist die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat doch mit Freiheitsstrafe bedroht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4
StPO.
( ... )
poststelle@lg-detmold.nrw.de
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