Neue Osnabrücker Zeitung ,
05.10.2004 :
Autonome gehen britischen Panzern aus dem Weg
Von Frank Henrichvark
Osnabrück. In die Wagenburg am Fürstenauer Weg kommt Bewegung: Während ein Teil der autonomen Szene am Wochenende das Lutherhaus besetzte, verlagerten die Bewohner der neun Wohnwagen ihre Gefährte auf einen anderen Platz in direkter Nachbarschaft. Allerdings nur für kurze Zeit - gestern Nachmittag ging es schon wieder zurück.
Das Schöne am Wohnwagen ist die Mobilität: Um der angedrohten Räumung am Fürstenauer Weg zu entgehen, hatten sich die Bewohner nur wenige hundert Meter entfernt einen neuen Standplatz für ihre fantasievoll umgebauten Bauwagen gesucht. Es handelte sich um ein Grundstück unterhalb der Honeburg, das von den britischen Streitkräften zum Pioniertraining genutzt wird.
Im Zentrum des Platzes befindet sich eine vielleicht 100 mal 100 Meter große Grube, die von den Pionieren als "trockener Fluss" betrachtet wird und mit Brückenkonstruktionen überspannt werden soll. So machten die Briten auch umgehend deutlich, dass sie auf das Übungsgelände nicht verzichten werden: "Kettenfahrzeuge und Brückenlegepanzer vertragen sich schlecht mit Wohnwagen", sagte gestern Nachmittag Verbindungsoffizier Chris Linaker, "deshalb haben wir die jungen Leute zur Räumung aufgefordert".
Nachdruck verschaffte dem eine Delegation von Vertretern der Stadt und des Bundesvermögensamtes. Eigentümer des Platzes ist die städtische OGE. Die Stadt plant auf dem Gelände eine Wohnsiedlung. "Und wir stellen als Pächter das Grundstück den Briten zur Verfügung", so ergänzte Klaus Thörner, Leiter der Ortsverwaltung Osnabrück beim Bundesvermögensamt.
Ergebnis der Verhandlungen: Im Laufes des Nachmittags räumten die Jugendlichen das Grundstück und rangierten ihre Wagen zurück zum alten Standort am Fürstenauer Weg. Wagenladungen voller Sperrmüll am Straßenrand zeugten dort bereits davon, dass auch hier in den letzten Tagen ein Großreinemachen angesagt war.
Offensichtlich hat unter dem Eindruck der angedrohten Räumung des Wagenplatzes am Fürstenauer Weg bis zum Monatsende ein Diskussionsprozess innerhalb der Szene eingesetzt. Ein Teil der Gruppe strebt nach einem Haus, in dem das "Autonome Zentrum" verwirklicht werden solle. Diese Fraktion hat am Wochenende erfolglos das Lutherhaus in der Jahnstraße besetzt. Die Verfechter eines autonomen Lebens in der Wagenburg dagegen suchen weiterhin nach einem Standplatz. Dies seien zwar getrennte Projekte, die aber künftig dennoch solidarisch verfolgt würden.
Für seine Gruppe beteuerte ihr Sprecher, "Kalle" genannt, gestern die Gesprächsbereitschaft in Richtung Stadtverwaltung, um derentwillen sie auch sofort wieder umgezogen seien, als die Aufforderung zur Räumung des Militärgeländes kam: "Wir sind 15 Leute, zehn Hunde, fünf Katzen und 'ne Hand voll Hühner. Und die können und wollen nicht in eine Wohnung einziehen."
Die Gruppe betrachtet sich selbst als eine große Wohngemeinschaft und hängt dem Traum vom selbstbestimmten Leben nach. Das isolierte Leben in einer städtischen Wohnung stelle für sie keine Alternative dar. Sie wolle daher der Forderung der Stadt entgegenkommen, den "all zu öffentlichen Platz am Fürstenauer Weg aufzugeben", hieß es gestern.
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