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WebWecker Bielefeld , 17.11.2004 :

Deutschkurse nur noch mit Berechtigungsschein

Am Mittwoch, 17. November, will der Bundestag darüber entscheiden, wie Deutschkurse für MigrantInnen ab 2005 ablaufen. Dann tritt das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft. Klar ist schon jetzt: Die Kurse werden größer, kaum noch planbar und teurer für die MigrantInnen.

Von Manfred Horn

Eigentlich wollte die Bundesregierung bis Oktober eine entsprechende Verordnung vorlegen. Bis heute kursieren aber lediglich verschiedene Entwürfe und ein Konzept des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Die Integrationskursverordnung ist im Gegensatz zur allgemeinen Durchführungsverordnung des Zuwanderungsgesetztes nicht zustimmungspflichtig, es genügt die einfache rot-grüne Mehrheit im Bundestag.

Nach den vorliegenden Entwürfen werdend die Kurse verpflichtend für Neu-Zuwanderer, die nicht EU-Bürger sind. Diese müssen innerhalb von zwei Jahren den Kurs, der insgesamt 600 Stunden umfasst, beginnen. Sogenannte "Bestandsausländer" müssen den Kurs machen, wenn ein "besonderes öffentliches Interesse" vorliegt. Davon dürften vor allem die zukünftigen Empfänger des Arbeitslosengeldes II betroffen sein. Berechtigt, aber nicht verpflichtet zu einem Deutschkurs sind deutschstämmige Aussiedler.

Im Detail entscheiden die örtlichen Ausländerämter. Sie können beispielsweise auch ein öffentliches Interesse zu einem Sprachkurs bei MigrantInnen aus der EU erkennen, müssen aber nicht. MigrantInnen können mit dem Sprachkurs erst beginnen, wenn sie einen Berechtigungsschein der Behörde in der Tasche haben. "Eine hochproblematische Praxis", urteilt Christel Grietenburg, Geschäftsführerin des Internationalen Bundes (IB) in Bielefeld. Der IB bietet zur Zeit über 100 Deutschkurse alleine in Bielefeld an, darunter auch viele Kurse vor Ort in den Stadtteilen. Diese Kurse zielen vor allem auf Frauen. "Vom Arbeitslosengeld II werden vor allem Männer betroffen sein", weiß Grietenburg, "was aber passiert mit den Frauen?" Sie befürchtet, dass diese keinen Berechtigungsschein vom Ausländeramt bekommen und damit nicht mehr an Sprachkursen teilnehmen können. Eine Befürchtung, die Annegret Grewe, Ausländerbeauftrage der Stadt Bielefeld, teilt: "Unsere Sorge ist, dass damit viele Migranten rausfallen, zum Beispiel junge Frauen."

Das Problem ist schon länger bekannt. Bundesweit haben sich Frauenbeauftragte dafür eingesetzt, dass auch migrierte Frauen, die schon länger in der Bundesrepublik leben, die Möglichkeit bekommen, an einem Sprachkurs teilzunehmen. Der gesetzgeberische Kompromiss ist die Formel des "öffentlichen Interesses", der in die Integrationskursverordnung reingeschrieben wurde und wohl ab Januar Gültigkeit hat. Damit könnten migrierte Frauen und andere Personen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben, doch noch in einen Sprachkurs kommen, wenn das Ausländeramt zustimmt.

Der IB jedenfalls kann für 2005 im Gegensatz zur bisherigen Praxis kein Deutschkurs-Programm herausgeben. Er muss warten, wann die ersten MigrantInnen mit ihrem Berechtigungsschein kommen. Wenn dann genügend potentielle TeilnehmerInnen zusammen sind, wird der erste Kurs angeboten. Er umfasst allerdings erst einmal nur 100 Stunden, denn die vom Gesetzgeber vorgesehenen 600 Stunden sollen in sechs getrennten Einheiten zu 100 Stunden unterrichtet werden.

Der Bund hat die Integrationskurse an sich gezogen, er finanziert sie zum größten Teil. Die Kursträger erhalten pro Person und Stunde 2,05 Euro, davon müssen die MigrantInnen allerdings einen Euro übernehmen. Ausgenommen sind die diejenigen, die das Arbeitslosengeld II bekommen, für sie ist der Kurs kostenlos. Nur für deutschstämmige AussiedlerInnen ist der Kurs in jedem Fall kostenlos.

Doch wer einen Berechtigungsschein bekommt, muss sich darauf einstellen, dass die Kurse ab Januar schlechter werden. Die bisherige Praxis sieht vor, dass das BAMF für Kurse pauschal bezahlt, 28 Euro für eine Unterrichtsstunde. Zwar war für die TeilnehmerInnen auch eine Eigenbeteiligung fällig, aber die war geringer als ein Euro. Kurse für Frauen wurden praktisch kostenlos angeboten, der IB nahm 10 Euro für 80 Kursstunden. Künftig erhalten die Anbieter nur noch 1,05 Euro pro Teilnehmer und Stunde vom BAMF. Die Folge: die Anbieter müssen die Gruppen vergrößern. Bisher liegen die Gruppengrößen bei maximal 15, in Zukunft werden es mindestens 20 sein. Und: die bisherige sozialpädagogische Begleitung fällt weg, sie ist nicht mehr finanzierbar. Zudem steigen die Verwaltungskosten für die Anbieter: Das BAMF will Meldung über jeden einzelnen Teilnehmer, der den Kurs schwänzt.

Grietenburg sorgt sich auch, ob zukünftig noch so viele Frauen wie bisher in die Kurse kommen. Denn selbst wenn sie einen Berechtigungsschein vom Ausländeramt erhalten sollten, ist es fraglich, ob die Männer diesen Euro auch bewilligen. Dies trifft auf die zahlreichen, patriarchalisch organisierten Familien zu, wo der Mann bestimmt, was die Frau macht.

Die Anbieter selbst müssen sehen, was passiert. Vielleicht kommen die ersten Kurse noch im Januar zu Stande, vielleicht erst im März. Planen ist nicht mehr drin, alles hängt davon ab, wann MigrantInnen mit den Berechtigungsscheinen auflaufen. Grietenburg setzt auf die Kooperation mit dem Ausländeramt. So haben beispielsweise noch im September sieben Deutschkurse begonnen, die müssten im Januar eigentlich fortgesetzt werden. Da es sich um sogenannte "Bestandsausländer" handelt, die schon länger hier leben, brauchen die einen Berechtigungsschein. Es ist dann die Entscheidung des Ausländeramts, ein öffentliches Interesse zu erkennen und den Schein auszustellen.

Etwas besser ist die Situation beim IFF (Institut für Weiterbildung) im IBZ an der Teutoburger Straße. Das IFF kann 2005 neue Kurse anbieten, weil es im Gegensatz zum IB auch nach dem Weiterbildungsgesetz NRW gefördert wird. Da das IFF nach dem Weiterbildungsgesetz pauschal gefördert wird, ließen sich im Kursangebot eben auch Deutschkurse unterbringen, berichtet Peter Geiger, Mitarbeiter des IFF. Dennoch sei die Lage problematisch. Denn über das Weiterbildungsgesetz sei die Förderung geringer, die Anzahl der Deutschkursangebote begrenzt. Will das IFF weitere Deutschkurse anbieten, ist es dem gleichen Prozedere wie die anderen Anbieter unterworfen: Es muss warten, bis genügend MigrantInnen mit ihrem Berechtigungsschein ins IBZ kommen.

Eine wackelige Situation, sowohl für die Anbieter als auch für die MigrantInnen. Dabei sind die Kurse im Moment so voll wie noch nie, weiß Grietenburg zu berichten. Das seit 2002 praktizierte Vorgehen des BAMF, den zertifizierten Trägern pauschal die Kurse zu bezahlen, bei denen sich die MigrantInnen dann direkt anmelden können, hat sich bewährt. Die neue Verordnung ab Januar hat für den Bund nur ein Ziel: Gegenüber der bisherigen Regelung Kosten zu sparen. Damit aber kontakariert die Bundesregierung ihr Ziel der Integration, da sie nicht bereit ist, ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen.


webwecker@aulbi.de

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