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Lippische Rundschau , 12.11.2001 :

Symposium "Von Italien nach Auschwitz" / Zeitzeuge berichtet aus Lager in Bozen

Detmold (pr). Einem Kapitel dunkelster Geschichte Deutschlands und ganz Europas hat sich am Wochenende ein Symposium in Detmold gewidmet: Unter dem Titel "Von Italien nach Auschwitz – Fossoli und Bozen: Stationen der Deportation 1944/45" beleuchtete es die Geschehnisse in den beiden Lagern Norditaliens, deren Leiter der inzwischen verstorbene Karl Friedrich Titho aus Horn war. Zahlreiche Gäste waren eigens aus Italien angereist, um dabei zu sein.

Die Detmolder Historikerin Ingrid Schäfer hatte gemeinsam mit zehn lippischen Organisationen in das Staatsarchiv Detmold eingeladen. Das Symposium stand unter der Schirmherrschaft des italienischen Konsulats in Dortmund. "Persönliche Betroffenheit nach mehreren Besuchen in Fossoli und die Tatsache, dass der Leiter des Lagers aus Lippe kam, haben mich dazu bewogen, das Symposium ins Leben zu rufen", erklärte Schäfer.

Das Kolloquium sei ein Novum im Bereich der geschichtlichen Forschung in einem "Europa der Regionen". Erstmals kämen Vertreter der Region der Opfer mit Vertretern der Region der Täter zu einem Symposium zusammen, wie die Historikerin erläuterte. Der Begriff Holocaust werde gemeinsam synonym zum Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gebraucht. Dass die NS-Verbrechen jedoch in allen besetzten Gebieten Europas begangen wurden, sei von der Forschung häufig nicht beachtet und der Öffentlichkeit nicht in einem angemessenen Rahmen mitgeteilt worden.

Demos Malavasi, Bürgermeister der Stadt Carpi/Fossoli, rief dazu auf, die Vergangenheit zu bewältigen, bevor man zukünftige Projekte in Angriff nimmt. "Europa muss mit seiner Geschichte fertig werden, damit es sie nicht noch einmal erlebt", erläuterte Malavasi, der mit vielen weiteren Gästen aus Italien der Veranstaltung beiwohnte.

So berichtete der 83 Jahre alte Zeitzeuge Professor Vittore Bocchetta von seinen Erlebnissen im Lager Bozen. Dr. Carla Giacomozzi vom Staatsarchiv Bozen präsentierte die Wanderausstellung "Lager in Bozen", die am Samstag eröffnet wurde und in der nächsten Zeit im Staatsarchiv zu sehen sein wird. Gezeigt werden Fotos, Originaldokumente und Fundstücke aus dem Lager

Zahlreiche Vorträge als Diskussionsbasis

Zahlreiche Vorträge boten den Teilnehmern am Symposium Gelegenheit zur umfassenden Information und dienten als Diskussionsgrundlage. Die Geschehnisse in den Lagern Norditaliens wurden erst Mitte der 90er Jahre aufgedeckt, als der "Schrank der Schande" mit 600 Akten entdeckt wurde, erfuhren die Zuhörer.

5.000 Menschen passierten das Durchgangslager Fossoli, 11.000 Menschen wurden in Bozen registriert, habe man bei deren Auswertung herausgefunden. Viele von ihnen seien mit der Eisenbahn in Vernichtungslager überführt worden.


wb@westfalen-blatt.de

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