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Die Glocke , 15.11.2004 :

Dechant Wim Wigger am Volkstrauertag: "Wer Gewalt ausübt, beschmutzt Religion"

Harsewinkel (hebo). Nicht nur an die Toten der beiden lange zurück liegenden Weltkriege, sondern auch an diejenigen Menschen, die ganz aktuell Opfer von Krieg und Gewalt werden, erinnerte Pfarrdechant Wim Wigger, der gestern Vormittag am Harsewinkeler Ehrenmal die Gedenkrede zum Volkstrauertag hielt. Er rief alle Anwesenden zum Kampf für den Frieden auf. Drei Erlebnisse der vergangenen Woche führte Wigger als Beispiele dafür an, dass Krieg und Hass auch in Deutschland, in dem glücklicherweise schon so lange Frieden herrsche, stets gegenwärtig seien: Bei einer Diamanthochzeit im Ortsteil Harsewinkel habe der Ehemann immer wieder vom Krieg erzählt, obwohl diese Ereignisse schon 60 Jahre zurück lägen. Die Aufforderung der Ehefrau, damit aufzuhören ("Er soll das Ganze endlich vergessen!"), kommentierte der Pfarrdechant gestern mit den Worten: "Wir sind hier, um das Ganze nicht zu vergessen." Das zweite Erlebnis sei das Treffen mit den Moslems in Harsewinkel gewesen, fuhr Wigger fort. Der Hodscha habe dabei nachdrücklich darauf hingewiesen, dass auch der Islam das Töten von Menschen verbiete, und den islamischen Terrorismus aufs schärfste verurteilt. Wigger: "Wenn jemand Gewalt ausübt im Namen der Religion, dann kann er sich nicht darauf berufen. Er tut es aus anderen Gründen. Und er beschmutzt die Religion." Auch im Namen des Christentums sei immer wieder Gewalt angewendet worden, und dies beschmutze auch das Bild des christlichen Glaubens. Das dritte Erlebnis, so der Dechant weiter, sei der Angriff der amerikanischen und irakischen Soldaten auf Falludscha, die "Stadt der Moscheen" gewesen. Gerichtet sei der Angriff gegen die Rebellen, aber zu leiden habe darunter in erster Linie die Zivilbevölkerung - Frauen, Kinder und Alte, die die Stadt nicht verlassen könnten und wollten. Mehr als 1.000 Opfer seien beim Angriff auf die irakische Stadt bereits zu beklagen, zwei Drittel davon Zivilisten. Und weil dem "Roten Halbmond" erst jetzt am Wochenende Zugang gewährt worden sei, stürben Menschen auch an Verletzungen, die bei normaler medizinischer Versorgung gar nicht lebensgefährlich wären. Wim Wigger: "Auch heute sterben unschuldige Menschen. Wir beten für die Opfer von Krieg und Gewalt. Und wir kämpfen für den Frieden. Wir wissen, wie man einen Krieg beginnt, wir wissen aber nicht, wie man ihn beendet. Afghanistan, Bosnien, Kosovo und besonders der Irak zeugen davon. In einer Zeit, in der man ungeniert davon spricht, dass es erlaubt sei, einen Angriffskrieg zu führen, pochen wir als Christen im Gegenteil darauf, dass es überhaupt nicht erlaubt ist, Krieg zu führen. Gewalt einzudämmen und zu verhindern durch Gerechtigkeit, das muss unser Ziel sein."


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