Der Patriot - Lippstädter Zeitung ,
15.11.2004 :
Erinnerung verpflichtet zur Verteidigung der Demokratie / Politik und Bürger ehren am Volkstrauertag die Opfer beider Weltkriege / Studiendirektor Hubert Hüsgen ergründet Sinn des Gedenkens für das Gemeinwesen
Lippstadt. Den Sinn des öffentlichen Erinnerns hat gestern Studiendirektor Hubert Hüsgen, Lehrer am Gymnasium Schloss Overhagen, ergründet, als er bei der zentralen Feier der Stadt Lippstadt zum Volkstrauertag die Gedenkansprache hielt. So wie in zahlreichen Ortsteilen die Bürger an den Gräbern innehielten, vergegenwärtigten sich auch auf dem Hauptfriedhof Vertreter von Politik und Bundeswehr, Religionen und Gesellschaft die Leiden und Gräueltaten, die den Opfern der beiden Weltkriege widerfahren sind.
"Trauern bedeutet, dass wir unsere Gedanken in die Vergangenheit wandern lassen und uns erinnern", erklärte Hüsgen. In den Bildern dieser "inneren Reise" - sterbende Soldaten in Granattrichtern, Mutter und Kind im Luftschutzkeller, ausgehungerte Kämpfer von Stalingrad, die frierend in die Gefangenschaft ziehen, brennende Synagogen, getötete Widerständler, die Vernichtungsmaschinerie der Konzentrationslager - erkannte der Geschichtslehrer drei Gründe für das Erinnern: die Distanzierung von den Tätern, den Auftrag an alle zur Verteidigung einer demokratischen Gesellschaftsordnung und die Hoffnung, dass das Gewissen stärker sein kann als die Furcht vor einem Unrechtsregime.
"Wir erkennen, dass Demokratie und Freiheit nicht selbstverständlich sind, sondern verteidigt werden müssen", betonte Hüsgen. Jeder einzelne Bürger sei dazu verpflichtet. "Eine Kultur des Wegsehens, die die Gefahr nicht sehen wollte, entweder weil man Angst hatte, etwas zu sagen, oder weil man klammheimlich die Ziele der nationalsozialistischen Verbrecher teilte, ebnete den Nazis den Weg." Die Eliten hätten versagt und aus Egoismus die Kungelei "im parteipolitischen oder konfessionellen Hinterzimmer" der öffentlichen Diskussion vorgezogen. Daher müsse heute jeder mit kritischem Blick das politische Geschehen verfolgen und Stellung nehmen, wenn er Fehlentwicklungen beobachte.
Durch das Gedenken gebe man "den Mördern und ihren Handlangern nicht das letzte Wort, die es gerne sähen, wenn die Toten tot, begraben und vergessen wären", so der Studiendirektor. Vielmehr seien die Opfer "mahnendes Beispiel" für die Gegenwart. Vor allem aber gäben die Widerständler - berühmte wie unbekannte - mit "Tapferkeit und aufrechter Gewissensentscheidung Beispiele für unser Leben".
Nach einem Gebet von Pfarrer Christoph Peters und dem gemeinsamen Vaterunser dokumentierten Bürgermeister Schwade, Oberstleutnant Dirk Kipper vom Transportbataillon 801, Vereine und Verbände sowie Vertreter der Jüdischen Kultusgemeinde mit Kranzniederlegungen ihre Trauer.
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