Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische ,
15.11.2004 :
"Geschichte ist nie vollendet" / Volkstrauertag: Regierungspräsident Andreas Wiebe hält Ansprache in Gütersloh
Von Stefan Brams
Gütersloh. Das Geläut der Totenglocke von St. Pankratius ist verstummt, die letzten Takte von Johann Sebastian Bachs "Von Gott will ich nicht lassen" sind verklungen, als Regierungspräsident Andreas Wiebe auf dem Ehrenfriedhof "Unter den Ulmen" ans Mikrofon tritt. "Der Volkstrauertag ist ein Tag des Innehaltens, des Gedenkens sowie ein Tag des Mitgefühls mit den Familien der Opfer", betont Wiebe vor den rund 200 Gästen, die zusammengekommen sind, um der Toten und Opfer aller Kriege zu gedenken.
"Gerade am Volkstrauertag sollten wir über das Warum des Krieges und das Wie des Krieges nachdenken", sagt Wiebe. Nur ein gelungener Frieden, ein wirklicher Frieden könne den Krieg dauerhaft besiegen. Nur aus der Erinnerung an das Leid der Kriege und aus dem Gedenken an die Opfer erwachse der Auftrag sich für Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und ein würdiges Leben für alle einzusetzen.
In seiner auch aktuelle Themen wie den Terror und einen wiedererstarkenden Rechtsextremismus nicht ausklammernden Rede geht Wiebe auch auf die Frage ein, ob es noch aktuell sei, 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, an diese Vergangenheit zu erinnern. Für Wiebe gehören Vergangenheit und Zukunft aufs Engste zusammen. Der Regierungspräsident betont: "Der Frieden in Europa ist kein Naturzustand und keine Selbstverständlichkeit. Er ist das Ergebnis eines aus der Erinnerung getragenen beharrlichen Bemühens aller Menschen der europäischen Nationen." Hätten bisher Entspannung und Völkerverständigung als die wichtigsten Mittel gegolten, Kriegen vorzubeugen, so müssten dieses Instrumente nun ergänzt werden durch die internationale Zusammenarbeit gegen den Terror.
Wiebe betont zudem, dass es wichtig sei, sich auch heute noch zu seiner Geschichte zu bekennen, sie in ihrer Gesamtheit anzunehmen. Dies sei seine Voraussetzung zur Versöhnung. Wiebe: "Geschichte ist nie vollendet." Aus dem Wissen um unsere Geschichte gehe es darum, "die Absage an jede Form von Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus abzuleiten". Wer die Barbarei des Nationalsozialismus und die Singularität des Holocaust leugne und auf dieser menschenverachtenden Ideologie ein verbrecherisches Staatswesen aufbauen möchte, verlasse die Grundlagen, auf denen unsere Bundesrepublik Deutschland aufgebaut sei.
In einer kurzen Ansprache nimmt Bürgermeisterin Maria Unger den Faden von Wiebes Rede auf, betont, dass es auch gelte, der Opfer heutiger Kriege und des Terrors zu gedenken, dann legt sie zusammen mit ihrer Stellvertreterin Monika Paskarbies zu den Klängen von "Ich hatt‘ einen Kameraden" einen Kranz der Stadt nieder und die Vertreter von Schützen- und Sportvereinen senken ihre Fahnen. Andreas Wiebe, aber auch Vertreter der Bundeswehr sowie Major Dominic Cooper, stellvertretender britischer Standortkommandant, legen ebenfalls Kränze nieder und verneigen sich vor den Toten zwischen den Gräbern des Ehrenfriedhofs.
Mit der deutschen Nationalhymne und "Was mein Gott will, das g‘scheh allzeit" von Bach klingt der Volkstrauertag in Gütersloh aus.
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