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Widerhaken Oktober 2004 , 12.10.2004 :

Bad Salzuflen - deutsche Stadt

Vorgeschichte:

In dem beschaulichen lippischen Kurort Bad Salzuflen hat sich über die Jahre eine rege Naziszene etabliert. Es gibt Konzerte, Fanzine und einen Tattoo-Laden. Hier fühlen sich die Nazis scheinbar wohl und haben auch eine eigene Kameradschaft gegründet. Aus diesem Grund fand am 18. September in dem Dorf eine antifaschistische Demonstration gegen "RechtsRock und Neonazis" statt. Den Aufruf gab's im letzten Widerhaken und nähere Infos zur Salzuflener Naziszene gibt's auf www.antifa-west.org.

Vor Ort:

Am besagten Samstag kamen über 150 Leute in das kleine Städtchen, um die einheimische Bevölkerung daran zu erinnern, das zwischen ihren idylischen Vorgärten ein brauner Sumpf entstanden ist, der langsam aber sicher bedrohliche Ausmaße annimmt.

Das Motto der Demo "gegen RechtsRock und Neonazis" hätte bürgerlicher fast gar nicht sein können. Wer mag heut zu Tage denn schon noch Neonazis? - außer über 9 Prozent der sächsischen WählerInnen vielleicht.

Aus dem Aufruf selber war mehr Empörung über die organisierte Nazibrut rauszulesen, als irgendeine (radikale) gesellschaftskritische Analyse. Trotzdem bemühten sich nur wenige BürgerInnen zur Demo, ob aus Bad Salzuflen mehr als 20 Leute anwesend waren, ist fraglich.

Der größte Teil der DemonstrantInnen waren junge Leute aus Bielefeld und der Region, eher dem linksradikalen Spektrum zuzuordnen. Die Demo ging vom Bahnhof hoch in die Fußgängerzone und hinten rum wieder zurück. Die Nazis verklebten an der ganzen Demoroute Anti-Antifa-Aufkleber. Teilweise waren diese in A4-Format und "schmückten" auch zahlreiche Wahlplakate in der Innenstadt. Gestört hat sich daran in Bad Salzuflen niemand und erst die auswärtigen Antifas entfernten fleißig die Aufkleber von den CDU-Plakaten.

Ein deutliches Zeichen gegen das Nazi-Tattoo-Studio zu setzen war nicht möglich. Nicht etwa weil bei den anwesenden Antifas die Bereitschaft dazu fehlte, sondern ganz einfach darum, weil es versäumt wurde, früh genug darauf hinzuweisen, wo der scheiß Laden eigentlich genau ist. Erst als die Polizei sich langsam an einer Straßenecke zusammenrottete und der betreffende Redebeitrag begann, dämmerte es vielen Leuten.

Danach:

An sich eine gewöhnliche Antifa-Provinz-Demo. Kurz danach erschien in dem Städtchen jedoch ein Flugblatt, welches mit einer beliebten linken Parole aufmachte: "Bad Salzuflen, deutsche Stadt - wir haben dich zum Kotzen satt!". Es ging den VerfasserInnen des Flugblatts aber nicht um die Kritik an "deutschen Zuständen", wo hinter dem Spitzen-Vorhang selbstgerechter, autoritärer Kleinbürgerlichkeit so manche Scheußlichkeit passiert und toleriert wird, sondern um genau das Gegenteil. Die, die in die Stadt gekommen sind, um die BürgerInnen an ihre Nazikinder zu erinnern, werden als die eigentlichen Faschisten dargestellt. Unter anderem deswegen, weil sie das stolze Kaff "zum Kotzen" finden. Oder, weil sie "die Relativierung des Marxismus betreiben". Das klingt etwas nach echten Faschisten und so wäre das Flugblatt nur ein weiterer Beweis von eben solchen in der Kotz-Stadt.

Aber wer es gerne sooo einfach sieht, hat nicht mit der örtlichen PDS und dem "Ratschlag gegen Fremdenfeindlichkeit" gerechnet. In der Lokal-Zeitung empörten sie sich im ähnlichen Wortlaut des Flugblatts über die Parolen der Demo:

Auf den real-satirischen Spruch "Was will ich, was willst du? - Das Verbot der CDU!" fällt der Provinz-Zeitung und eben diesen sozial-patriotischen Kräften nichts ein, außer: "Wer das Verbot einer etablierten Volkspartei fordert, sollte sich nach seinem Demokratie-Verständnis fragen lassen."

Das die Parole aus einer "Verbotskampagne" gegen die CSU kommt, können natürlich nicht alle wissen. Dass, als sollte die CSU in einer Kommunikations-Guerilla-Kampagne als verfassungsfeindlich, weil fremden-, frauen- und demokratiefeindlich, dargestellt werden. Für aufrechte DemokratInnen ;-) also ein Grund, ihr Verbot zu fordern. Das Problem war halt nur, wie der Artikel schon sagt, dass die CDU/CSU eine "etablierte Volkspartei" ist und dieses "Volk" also eigentlich verboten gehört.

Das ein Dorfreporter die Parole ernst nimmt, ist amüsant. Das Leute, die sich nach eigenem Bekunden gegen Fremdenfeindlichkeit engagieren, solche Witzchen im Angesichte eines CDU-Wahlkampfstandes zum Anlass nehmen, sich von der Demo zu distanzieren und teilweise sogar mit in dem "Ihr seid linke Faschisten"-Chor einstimmen, ist traurig. Bad Salzuflen, deutsche Stadt ...


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