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Die Glocke , 11.11.2004 :

Vorbeugungsprojekt / Orientierungslosigkeit kann schnell in rechter Gewalt enden

Ennigerloh (ar). Das Wort Giraffe hat für die Eltern, Lehrer und Schüler der Anne-Frank-Schule in Ennigerloh eine zweite Bedeutung: Nicht mehr nur das Tier ist gemeint, sondern auch das Präventionsprojekt "Rechtsextremismus - Gegen Intoleranz, Rassismus, Antisemitismus, Faschismus, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus", kurz "Giraffe". Schüler der 9. und 10. Klasse und Lehrer hatten bereits ihre Projektstunden. Am vergangenen Montag konnten sich Eltern und alle Interessierten über Rechtsextremismus, woher er kommt und wie man präventiv wirken kann, informieren. Ralf Leifhelm (Bild), Kriminalhauptkommissar in der Dienststelle polizeilicher Staatsschutz bei der Kreispolizeibehörde Münster, beschäftigt sich seit zehn Jahren intensiv mit dem Thema. Eindrucksvoll stellte er die Gefahr des Rechtsextremismus für Anhänger und Gesellschaft dar.

Ende der 60er-Jahre entstand die Bewegung der Skinheads im Londoner Arbeiterviertel als Auflehnung gegen die Gesellschaft. Erst als sie gemeinschaftlich Erfolg hatten, nahmen sich die rechten Parteien ihrer an. Bestickte Bomberjacken, Springerstiefel und kahl geschorene Haare sind bis heute Markenzeichen der "Skins". Zwei Aspekte, die psychologische Einstellung und das sozial-politische Umfeld, tragen laut Leifhelm zur Entwicklung einer Person zur rechten Szene entscheidend bei. Gewalt sei oft eine einfache Lösung für Orientierungslosigkeit, erläuterte der Experte. In den rechten Gruppierungen kämen Gemeinschaft, Kameradschaft und Kraft zusammen. Und damit genau das, was sich Jugendliche in solch einer Situation wünschen. Wie es verschieden strukturierte Cliquen gibt, bei denen auch der Ausstieg unterschiedlich schwierig ist, gibt es auch unterschiedliche rechte Typen: den Mitläufer, den Schläger und den Ideologen. Auch Frauen seien in der Szene aktiv, machten rund zehn Prozent aus, betonte Leifhelm. Oft sei die Liebe hier die Ursache für den Einstieg. Das Feindbildspektrum sei groß: "Minimale Reize reichen für die meist stark alkoholisierten Rechtsradikalen aus, um gewalttätig zu werden", weiß der Kommissar. Auch in Nordrhein-Westfalen gebe es immer wieder rechtsradikale Zwischenfälle.

Im Gepäck hatte Leifhelm sichergestellte Plakate mit Hetz-Slogans, Bomberjacken und Schlaginstrumente, Symbole, Zahlencodes, Fahnen und CD-Cover. Die Musik ist ein Transportmittel des rechten Gedankenguts - bis zu zwei Millionen CDs sollen derzeit illegal kursieren. Bewusst rockige Rhythmen treffen den Nerv der Jugendlichen und täuschen zunächst über die volksverhetzenden Inhalte, die die Zuhörer am Montag schockierten, hinweg. Präventiv, erklärte Ralf Leifhelm, sei es für Eltern wichtig, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen und Interesse für sie zu haben, deren Freunde zu kennen sowie zu Toleranz und Zivilcourage zu erziehen.


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