Herforder Kreisanzeiger / Neue Westfälische ,
11.11.2004 :
Zellentrakt als Ort lebendiger Erinnerung / Gedenken an Reichspogromnacht – zukünftige Gedenkstätte im Rathauskeller vorgestellt
Von Ralf Bittner
Herford. "Wir wünschen uns Aktion und regelmäßige Wechsel des ausgestellten Materials", beschrieb Christoph Laue als Sprecher des Kuratoriums für eine Dokumentations- und Begegnungsstätte in Herford ersten Ideen für die neue Gedenkstätte im ehemaligen Zellentrakt des Rathauskellers. Bei der Vorstellung der zukünftigen Gedenkstätten-Räume im Rahmen der Gedenkveranstaltung an die Reichspogromnacht vom 9. November 1938 reichte der Raum kaum aus, um die zahlreichen Besucher zu fassen.
Seit Anfang Oktober ist die zukünftige Gedenkstätte eine Außenstelle des städtischen Museums. Das Kuratorium hat die Gestaltung der zukünftigen Ausstellung übernommen und hofft, diese Mitte kommenden Jahres offiziell eröffnen zu können. Bis dahin sind alle Herforder aufgerufen, sich mit Vorschlägen zu beteiligen: "Wir wollen die Stätte zu einem Ort lebendiger Auseinandersetzung machen." Dazu hat das Kuratorium eigens einen Fragebogen entwickelt. "Erste Ergebnisse dieser Umfrage wollen wir während der Mitglieder-Versammlung des Kuratoriums am 23. November um 20 Uhr hier vorstellen", sagte Laue. Auch ehrenamtliche Helfer, die die Ausstellung während der Öffnungszeiten betreuen wollen, werden noch gesucht. Die Sparkasse unterstützt das Projekt mit einem namhaften Betrag, dennoch ist auch finanzielle Unterstützung gern gesehen.
Zellentrakt oft Beginn eines langen Leidensweges
Laue bedankte sich bei Bürgermeister Bruno Wollbrink und den Vertretern der Stadt Herford, die die fünf Zellen und den Flur zur Verfügung stellten. Damit habe die lange Suche nach einem angemessenen Ort für die Dokumentations- und Begegnungsstätte schließlich Erfolg gehabt.
Der Zellentrakt war von 1917 bis 1963 als Polizeigewahrsam genutzt worden. In den Jahren 1933 bis 1944 war er Durchgangsort zahlreicher Opfer des NS-Regimes. Für viele begann hier ein Leidensweg, der manchmal bis in den Tod führte. Auch die in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 inhaftierten Juden wurden von hier aus ins KZ Buchenwald gebracht.
"Das Rathaus war damals nicht nur Verwaltung, sondern auch ein Ort der Überwachung" sagte Wollbrink in seiner Begrüßungsrede. Da aus dieser Zeit kaum Polizeiakten erhalten sind, ist es dem Kuratorium ein besonderes Anliegen, die fast unverändert erhalten gebliebenen Zellen, die zuletzt als Lagerräume genutzt wurden, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. An den Türen und Wänden erinnern kyrillische Schriftzeichen und Inschriften in polnischer Sprache daran, dass hier nicht nur Juden inhaftiert wurden, sondern auch Zwangsarbeiter verschiedener Nationalitäten oder politische Verfolgte.
Begonnen hatte die Veranstaltung mit einem Mahngang am Gedenkstein für die zerstörte Synagoge an der Komturstraße. In seiner kurzen Ansprache hatte der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Herford betont, wie wichtig es sei, die Erinnerungen an die Jugend weiterzugeben, damit sich derartige Ereignisse nicht wiederholen: "Damals fanden nur wenige die Kraft zum Helfen oder gar zum Widerstand."
lok-red.herford@neue-westfaelische.de
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