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Neue Westfälische 13 - Löhne und Gohfeld , 10.10.2013 :

Der Journalist Olaf Sundermeyer bot in der Werretalhalle fundierte Einblicke in Geschichte rechtsextremer Gewalt / "Es muss nicht erst Blut fließen"

Löhne (nahr). Ob mit komödiantischen Inszenierungen auf dem Oktoberfest, Gedenkveranstaltungen oder Informationsabenden: Das Bürgerbündnis "Gemeinsam für Vielfalt - Löhne gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus" will aufklären über die in Löhne ansässige Justiz-Opfer-Hilfe (JOH). Denn die JOH sei laut Bündnis verfassungsfeindlich, diskriminierend und fremdenfeindlich. Ein Baustein der Veranstaltungsreihe ist die Lesung des Journalisten Olaf Sundermeyer aus seinem Buch "Rechter Terror in Deutschland - eine Geschichte der Gewalt". Am Dienstag bot der profunde Kenner der rechten Szene in NRW Einblicke in die Theorie rechter Gewalt, ließ Opfer und Täter zu Wort kommen.

"Mit dieser Veranstaltung möchten wir bewusst machen, dass wir niemals wegschauen dürfen. Mag die Botschaft Germanitien auch noch so lächerlich sein - diese Neonazis sind kein Problem, das verharmlost werden sollte", erklärte Sprecherin Ramona Kämper. Eine Demonstration gegen die JOH wird am 16. November folgen. "Dann haben wir die Gelegenheit lautstark klar zu machen, dass wir die Germaniten satt haben", so Kämper.

Aus der Erfahrung des Journalisten Olaf Sundermeyer, der sich seit Jahren mit der Thematik rechtsextremer Gewalt auseinandersetzt, sei neben Aufklärungsveranstaltungen vor allem eines wichtig: eine funktionierende Demokratie. "Ich kann sicher sagen, dass Rechtsextremismus dort am stärksten ist, wo die Demokratie am schwächsten ist", berichtete Sundermeyer. "Und wir müssen zusehen, dass unsere Zivilgesellschaft funktioniert." Nur so könne man Fremdenfeindlichkeit und rechter Gewalt effektiv begegnen. Denn diese richte sich immer gegen Schwächere. "Rechtsextreme treten immer nach unten."

In seinem Buch seziert der Journalist rechtsterroristische Anschläge ebenso wie alltägliche Gewalt gegen Andersdenkende, Migranten, Obdachlose und Juden. Seine Erkenntnis über das Profil der Täter: "Rechtsextremisten sehen sich immer als Opfer und zur Notwehr gezwungen. In meinen Interviews hatte ich den Eindruck, dass sie wirklich selbst glauben, Opfer zu sein." So fühlten sich Rechtsextreme durch die bloße Präsenz von Migranten bedroht - und würden daraus ihr Recht ableiten, Gewalt auszuüben.

Die Zahl von rechtsextremen Gewalttaten, die aus Ostwestfalen bekannt sind, stünden in einem sehr kleinen Verhältnis zu den Großstädten in NRW. "Der Schwerpunkt liegt im Ruhrgebiet", berichtete Sundermeyer. Dennoch gebe es viele Schattierungen des Rechtsextremismus - und gerade in NRW würden sich rechte Anhänger nicht als solche bekennen. "In Brandenburg beispielsweise ist es normal, dass sich Leute an der Kasse als rechts ausgeben. In NRW erkennen die Leute Rechtsextremisten einfach nicht, weil sich hier niemand öffentlich bekennen würde." Dies hänge vor allem damit zusammen, dass rechte Gesinnungen in NRW nicht mehrheitsfähig seien.

Die etwa 35 Zuhörer in der Werretalhalle nutzten die Gelegenheit, mit dem Autor ins Gespräch zu kommen. "Jahrelang hat man toleriert, Roma aus der Stadt fernzuhalten. Ich bin gespannt, wie es wird, wenn ihnen demnächst hier Wohnungen angeboten werden", verlautete es aus dem Publikum. Auch wenn sich VHS-Leiterin Beatrix Becker noch mehr Gäste gewünscht hatte, die Diskussion mit Sundermeyer zeugte von der Aktualität der Thematik - auch in Löhne.

Bildunterschrift: Kennt die rechtsextreme Szene in NRW: Olaf Sundermeyer las in der Werretalhalle aus seinem Buch "Rechter Terror in Deutschland - eine Geschichte der Gewalt".


loehne@neue-westfaelische.de

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