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Löhner Zeitung / Westfalen-Blatt , 10.10.2013 :

"Eine starke Demokratie ist das Heilmittel" / Olaf Sundermeyer hält Vortrag über rechten Terror

Von Annika von Hollen

Löhne (LZ). "Rechtsextremismus ist dort am stärksten, wo die Demokratie am schwächsten ist." Der Publizist Olaf Sundermeyer hat Dienstagabend aus seinem Buch "Rechter Terror in Deutschland" vorgelesen und dabei die Hintergründe der nationalistischen Strömungen in der Bundesrepublik erklärt.

Der Buchautor war von der Volkshochschule (VHS) Löhne und dem Bündnis "Gemeinsam für Vielfalt - Löhne gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus" eingeladen worden, die allerdings mehr Resonanz erwartet hatten. Der Buchautor konnte diese mangelnde Resonanz jedoch relativieren: "Wenn ich die Lesung in bestimmten Gegenden in Mecklenburg-Vorpommern halten würde, säßen hier nur vier Personen."

Doch nicht nur in den östlichen Bundesländern gebe es rechtsradikale Strömungen. Bei seinen Recherchen hat er einen Schwerpunkt auf seine Heimat, das Ruhrgebiet, gelegt. Dortmund sei eine Hochburg der so genannten autonomen Nationalisten. "Diese Gruppe weiß, dass die Mehrheit der Bevölkerung Nationalsozialisten ablehnt. Deshalb nennen sie sich nicht so und man kann sie auf der Straße als solche nicht erkennen", sagte er. Er stellte fest, dass alle rechtsextremen Gruppen von der Angst getrieben seien, dass sich ihr Land entfremde. Sie sähen sich als Opfer, die sich gegen die Überschwemmung von Gesellschaftsgruppen zur Wehr setzten, die nicht in ihr Weltbild passten.

Olaf Sundermeyer erzählte vom Schicksal eines türkisch stämmigen Cafébesitzers. "Er wurde 2003 mit einer Selbstschussanlage schwer verletzt. Er hat mit Glück seinen Arm behalten können. Heute lebt er von Arbeitslosengeld mit seiner fünfköpfigen Familie auf 60 Quadratmetern und kann mit der Ungewissheit über seinen Peiniger nicht leben." Denn obwohl das Café in einem Dortmunder Stadtteil lag, in dem sich viele Rechtsradikale aufhielten, ermittelte die Polizei nicht in diese Richtung.

Erst seitdem die Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) aufgeflogen sei, hätten die Beamten es in Erwägung gezogen, dass es sich hierbei um einen Anschlag dieser Gruppe gehandelt haben könnte. "Wegen mangelnder Beweise weiß der Cafébesitzer jedoch immer noch nicht, wer ihn ermorden wollte." Sundermeyer bemängelte die Versäumnisse. "Als ein bekannter Neonazi einen Punker an einer Dortmunder U-Bahn Haltestelle erstochen hat, konnte bei der Tat kein politischer Hintergrund festgestellt werden." Erst seit dem NSU-Prozess hat Sundermeyer ein Umdenken und eine Sensibilisierung bei der Dortmunder Polizei bemerkt.

Die Gäste in der Werretalhalle kritisierten bei der anschließenden Diskussion zudem das Weggucken und Schweigen der Bevölkerung. Es bestehe ein bisher unterschätztes Problem der Fremdenfeindlichkeit in der Mitte der deutschen Gesellschaft. Olaf Sundermeyer wusste dagegen nur ein Heilmittel: Stärkung der Demokratie.

Bildunterschrift: Olaf Sundermeyer hat in der Werretalhalle aus seinem Buch "Rechter Terror in Deutschland" vorgelesen.


loehne@westfalen-blatt.de

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