Lippische Landes-Zeitung ,
11.11.2004 :
Verkauft und vergessen / Heimatbund sucht verloren gegangene jüdische Grabsteine
Lage (be). Einst war der Friedhof an der Flurstraße mit seinen 3.000 Quadratmetern Gesamtfläche die größte jüdische Begräbnisstätte in Lippe. Heute ist das Areal um gut die Hälfte geschrumpft. Der 1.161 Quadratmeter große westliche und ältere Teil wurde Ende der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts abgeteilt und an einen Privatmann verkauft. Lange war nicht bekannt, wie es dazu kam. Dieses Kapitel der jüngeren Stadtgeschichte erhellt der frühere Vorsitzende des Lagenser Heimatbundes, Wolfgang Deppe, in seinem Beitrag für die "Zeitlupe 2004 - Historisches Jahrbuch für Lage".
Wer heute den jüdischen Friedhof besucht, findet einen geschlossenen Begräbnisplatz vor, das heißt, Beerdigungen finden hier nicht mehr statt. Auf dem denkmalgeschützten, birkenbewachsenen Gräberfeld stehen noch zirka hundert Grabsteine von Juden, die in Lage und Heiden vor 1938 gestorben sind.
Dieser Friedhofsteil bildet mit 1.789 Quadratmetern tatsächlich nur gut die Hälfte des ursprünglichen Areals. Nachdem die Begräbnisstätte im Sommer 1935 von SS-Angehörigen verwüstet worden war, wurde der westliche und ältere Teil einschließlich einer 17 Meter langen Wegeverbindung zum Grundstück eines Handwerkers vermessen und abgeteilt. Dieser erwarb am 29. August 1938 für 558,50 Reichsmark das Areal, um es fortan als Weide für sein Vieh zu nutzen. Zu diesem Zeitpunkt existierte in Lage keine jüdische Gemeinde mehr. Die wenigen, noch verbliebenen Juden hatten sich schon 1928 der Detmolder Synagogengemeinde angeschlossen.
Der Käufer pflasterte den Weg, den er durch ein Tor vor seinem Grundstück aus erreichen konnte, versetzte die vorhandenen Grabsteine an den Böschungsfuß, baute eine Treppe auf die Anhöhe des alten Friedhofs, errichtete Bank, Tisch sowie eine Hütte und pflanzte noch eine Reihe Obstbäume und Fichten. "Der Friedhof war in einen Freizeit-Garten umgewandelt worden", so Deppe. Einer vertraglichen Verpflichtung, die Grabsteine auf den oberen Friedhofsteil zu versetzen, kam er nicht nach. Nach Aussagen seines Sohnes sind sie zur Befestigung eines Hohlweges benutzt worden und bis heute verschwunden. Der Heimatbund setzt sich dafür ein, die Grabsteine ausfindig zu machen und wissenschaftlich zu sichern.
Der fünfte Band der "Zeitlupe" ist in der Geschäftsstelle Lage der Lippischen Landes-Zeitung erhältlich.
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