Lippische Landes-Zeitung ,
11.11.2004 :
Unabschätzbare Gefahr / Reden und Lieder zur Pogromnacht
Bad Salzuflen (beo). "Heute ist die Zeit der Erinnerung, des Zuhörens, der Trauer und der Scham. Warten wir nicht, bis der Ungeist der rechten Gewalt die Maske fallen lässt. Seien wir vorbereitet, damit sich das nicht wiederholt!" Mit diesen eindringlichen Worten eröffnete Ingrid Tennie, Sprecherin des "Bad Salzufler Ratschlags gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus", in der Aula der Volkshochschule die Gedenkfeier aus Anlass der Pogromnacht am 9. November.
Das Programm des Abends umfasste "Musik, Lieder und Texte jüdischer und anderer Verfolgter". Die Lieder über Leid, Verfolgung, Tod, aber auch Trost thematisierende Werke von Hanns Eisler, Othmar Schoeck, Benjamin Britten und Felix Mendelssohn-Bartholdy wurden von Bass-Bariton Wolfgang Treutler zur Klavierbegleitung Irmgard Treutlers (Hiddesen) vorgetragen.
Pfarrerin Steffie Langenau von der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde las aus dem vor vier Jahren erschienenen Buch "Dies Kind soll leben". Das Werk basiert auf den Aufzeichnungen Helene Holzmans, die in Litauen als Ehefrau eines jüdischen Buchhändlers den Einmarsch der deutschen Truppen und die damit verbundenen Ausschreitungen gegenüber der jüdischen Bevölkerung dieses baltischen Staates beschreibt. Ergriffen lauschte die Zuhörerschaft der akribisch verfassten Aufzählung von Diskriminierung, Bedrohung, Grausamkeit, Inhaftierung und Mord, dem schließlich Helene Holzmans Ehemann und eine ihrer Töchter zum Opfer fielen.
Die unabschätzbare Gefahr radikalen Gedankenguts, das solche Verbrechen ermögliche, hatte Steffie Langenau in ihrer Moderation zuvor pointiert umrissen: "Spätestens hier begreift man, dass die nationalsozialistische Ideologie keineswegs auf unser Land beschränkt geblieben ist, sondern von dort aus auch im europäischen Ausland verheerende Folgen gehabt hat."
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