Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische ,
10.11.2004 :
Stilles Gedenken und stiller Protest / Veranstaltung zur Erinnerung an den organisierten Judenpogrom am 9. November 1938
Bielefeld (big). Gestern Abend verlas Gertrud Thiemann die Erinnerungen von Marianne. 1938 war sie zwölf Jahre alt und lebte mit ihrer Familie in Bielefeld. Sie hat den Beginn der offenen Verfolgung der jüdischen Bevölkerung miterlebt. Hautnah. Marianne ist Jüdin. Ihre Worte standen zu Beginn der Gedenkveranstaltung an den Judenpogrom in Bielefeld. Der Ort: Turnerstraße 5, der Standort der ehemaligen Synagoge. 1938 wurde sie niedergebrannt.
Gut 100 Bielefelderinnen und Bielefelder säumen den Bürgersteig, an dem ein Gedenkstein an die Synagoge, an die Opfer des nationalsozialistischen Regimes erinnert. Nachdem Gertrud Thiemann von der Friedensgruppe der Altstädter Gemeinde an das Geschehen in Bielefeld erinnert hat, sprechen Pfarrer Bernhard Haaken von der katholischen Kirchengemeinde St. Josef und Andreas Smidt-Schellong von der evangelischen Bodelschwingh-Gemeinde einen Psalm. Paul Yuval Adam (jüdische Kultusgemeinde) betet "El Male Rahamin" (Gott voller Erbarmen) und das Kaddisch. Schweigend geht es weiter zum Neuen Rathaus. Die Gruppe kommt über die Friedrich-Verleger-Straße zum Jahnplatz.
Dort steht eine Gruppe der PDS, zwei halten ein Transparent hoch: "Keine Kaselowsky-Straße in Bielefeld". Ein (auch stiller) Protest gegen die Umbenennung eines Teils der Hochstraße in Richard-Kaselowsky. In einem Flugblatt heißt es: "Wir halten es für unerträglich, dass in Bielefeld eine Straße nach führenden Nationalsozialisten benannt ist."
Im großen Saal des Rathauses haben nach Oberbürgermeister Eberhard David Schülerinnen und Schüler der Brodhagenschule das Wort. "Sie mussten sterben, weil sie geboren wurden - Kinder sprechen für Kinder" heißt ihr Beitrag. Musik kommt dazu, von Jemima Widmann und Karin Lukin. Auf Polnisch und Jiddisch.
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