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Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische , 10.11.2004 :

Schweigen und Verantwortung / Gedenken an Pogromnacht mit Erzbischof Hans-Josef Becker

Von Hans-Hermann Igges

Paderborn. Vor genau 66 Jahren raste organisierter Judenhass durch Deutschland - Pogromnacht. Wo am 9. November 1938 die Paderborner Synagoge brannte, erinnerte gestern Abend eine Gedenkveranstaltung an die Verfolgungen. Trotz nass-kalter Witterung kamen etwa 100 Teilnehmer.

Hubert Frankemölle für die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und Bürgermeister Heinz Paus für die Stadt Paderborn begrüßten Erzbischof Hans-Josef Becker als Gedenkredner. Die Kantorei Bad Lippspringe sorgte für die musikalische Gestaltung, Abendrealschüler trugen die Namen der ermordeten Paderborner Juden vor, und ein Vetreter der jüdischen Gemeinde sprach zum Schluss das "Kaddish", das jüdische Totengebet.

Erzbischof Becker sprach von "Entsetzen, Trauer und Scham über das, was Deutsche ihren jüdischen Mitbürgern angetan haben" und forderte dazu auf, täglich wieder die Lehren aus dem Grauen zu ziehen: Auf die Vergangenheit bezogen, könne zwar das Schweigen eine verständliche und angemessene Reaktion sein, da sich das Unaussprechliche tatsächlich nicht in Worte fassen lasse. Doch für die Gegenwart, so der Erzbischof, gelte Schweigen geradezu als Warnung. Schuldig mache sich heute, wer zu Hass und Gewalt schweige oder "im kleinen Kreis geschmacklose und dreiste Witze auf Kosten von Minderheiten" zulasse. Schuldig mache sich auch, wer toleriere, dass anders glaubende oder anders lebende Menschen angepöbelt werden oder am Arbeitsplatz gemobbt wird. Schuldig mache sich aber auch, wer zu Ausbeutung von Mensch und Natur "in unserem Land und inder Welt schweige". Becker: "Aus den furchtbarsten Ereignissen der jüngeren deutschen Geschichte erwächst uns Verantwortung für heute und für die
Zukunft."

"Auch das Antlitz der christlichen Kirchen ist entstellt durch vielfältige Schuld gegen das jüdische Volk: Durch falsches Zeugnis und böses Wort, durch Ausgrenzung und Verfolgung, durch Verhöhnung und Rechtsminderung, durch Vertreibung und Tötung, durch Wegsehen und Gleichgültigkeit," sagte Becker. All das sei nicht das Werk Gottes, sondern das Werk freier Menschen, die auch im Bösen zu allem fähig seien.


lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de

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