www.hiergeblieben.de

Schaumburger Zeitung , 10.11.2004 :

"Fragen, wie es dazu kommen konnte" / Feier am Gedenkstein: Erinnern an Naziterror

Bückeburg (thm). "Das Wissen um unsere Vergangenheit ist unser Rüstzeug für das Gestalten der Zukunft." Bei der Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus am Gedenkstein hinter dem Stadthaus hat Bürgermeisterin Edeltraut Müller nachdenkliche Worte gefunden, die vom Damals ins Jetzt weisen.

Heute nicht mehr nachvollziehbares "unerträgliches Leid" und "unvorstellbares Grauen" hätten die Opfer jener "mit kalter Präzision" abgelaufenen nächtlichen Aktion (siehe "Hintergrund") erdulden müssen. Betrachte man heute Bilder vom damaligen Geschehen, so sei nicht nur deren Anblick schwer zu ertragen, sondern auch "die Wahrheit, die sie verkünden".

Erinnern ist wichtig. Warum, erklärt die Bürgermeisterin: "Gedenken heißt zu fragen, wie es dazu kommen konnte." Warum hätten so viele Menschen damals das "willkürlich festgelegte Menschenbild" der Nazis übernommen? Warum hätten so viele Menschen weggesehen, als es zu den mörderischen Übergriffen gekommen sei? Warum seien viele Menschen bereit gewesen, andere Menschen zu quälen?

Edeltraut Müller erinnerte an die schwierigen wirtschaftlichen Zeiten in den 30er Jahren : "Wachsender Antisemitismus hat eine Ursache in Arbeitslosigkeit und sozialer Deplatzierung." Und war mit dieser Erkenntnis im Heute angekommen. Damals habe es "keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme" gegeben, und heute auch nicht, schrieb sie den Vereinfachern und Bauernfängern ins Stammbuch. "Gedenken heißt auch, aus der Erinnerung heraus Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen", mahnte sie, jüngste Entwicklungen bei Landtagswahlen nicht zu übersehen. "Auch heutige Demokratien sind anfällig für Judenhass und Nazi-Ideologie."

Hintergrund: In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brannten jüdische Synagogen in ganz Deutschland. Angehörige von Sturmabteilung (SA) und Schutzstaffel (SS) zertrümmerten die Schaufenster jüdischer Geschäfte, demolierten die Wohnungen jüdischer Bürger und misshandelten ihre Bewohner. 91 Tote, 2.676 zerstörte Gottes- und Gemeindehäuser, 7.500 verwüstete Geschäfte, mehr als 30.000 in Konzentrationslager verschleppte männliche Juden - das war die "offizielle" Bilanz des Terrors.


sz-redaktion@schaumburger-zeitung.de

zurück