Lippische Landes-Zeitung ,
14.08.2002 :
Namen mahnen / Straßenbennenung nach Nazi-Opfern: Kontroverse zwischen Stadt und Arbeitsgemeinschaft Fossoli
Von Ulrich Pfaff
Horn-Bad Meinberg. Erinnerung, Gedenken, Mahnung - das sind die Beweggründe der Arbeitsgemeinschaft Fossoli, die Umbennenung einer Straße im Stadtkern von Horn zu fordern. Sie wollen daran erinnern, dass ein Hornscher Bürger während des Zweiten Weltkrieges in die Deportation italienischer Juden in die Gaskammern der Nazis verstrickt war. Aber in eben dieser geschichtlichen Dimension liegt der Stolperstein.
Die Umbennenung sollte "eine Geste als Ausdruck des Respekts gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen" sein, so Dieter Zoremba und Diether Kuhlmann von der AG Fossoli in einem offenen Brief an Bürgermeister Eberhard Block. In diesem Schreiben beklagen beide, dass sich seit der Titho-Debatte in Horn-Bad Meinberg nichts getan habe: "Leider haben wir den Eindruck gewonnen, dass nach dem Tode des Karl Friedrich Titho viele von Ihnen bemüht sind, eine Diskussion um diesen Teil der Vergangenheit zu verhindern." Dass das Ansinnen seit acht Monaten vorliege und nicht beraten werde, nennen Zoremba und Kuhlmann eine "offensichtliche Weigerung, den Deportationsopfern ein Stück ihrer Würde zurückzugeben."
Bürgermeister Eberhard Block zeigte sich gegenüber der LZ konsterniert über die Vorwürfe in dem offenen Brief. Er stehe mit der AG Fossoli wegen der Namensgebung in Kontakt, der Kulturausschuss habe bereits beschlossen, ein Symposium zu diesem Thema zu veranstalten, um die Bürgerschaft zu sensibilisieren. "Hier muss Sorgfalt vor Schnelligkeit gehen", so Block. Die Umbennenung einer Straße im Stadtkern sei nicht einfach, zumal alle diese Straßennamen eine mehr als 600 Jahre alte Tradition hätten. Er selbst plädiere für die Benennung einer ganz neuen Straße in Horn. Wie Block der AG Fossoli schriftlich mitteilte, soll in Kürze vom Kulturausschuss ein Votum an den zuständigen Ausschuss für Stadtentwicklung erfolgen. Außerdem werde nach der Sommerpause ein Arbeitskreis gebildet, der sich generell mit Vorschlägen befassen werde, "wie den Schicksalen der Opfer in würdiger Weise öffentlich gefacht werden kann".
Karl Friedrich Titho starb im vergangenen Sommer im Alter von 90 Jahren. Als junger Mann hatte er in der SS gedient und in den letzten Kriegsjahren ein Lager im italienischen Fossoli geleitet - von dort aus waren Juden in die Gaskammern deportiert und ermordet worden. Tithos mutmaßliche Verantwortung für diese Deportationen war Gegenstand mehrerer Ermittlungsverfahren - zu einer Anklage war es jedoch weder in Deutschland noch in Italien gekommen. Die AG Fossoli hatte unter anderem mit einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung im Mai vergangenen Jahres in Horn thematisiert, dass ein Bürger mit dieser Vergangenheit unbehelligt in seinem Heimatort leben konnte. Eine ihrer Forderungen: Die Pfuhlstraße, in der Titho seinen Lebensabend verbrachte, sollte nach einem Mädchen benannt werden, das im Alter von sechs Wochen deportiert worden war - Gina Labi. In der ganzen Diskussion war allerdings der AG ein Fehler unterlaufen: Wie sich durch die Recherchen eines Berliner Historikers ergeben hatte, überlebte Gina Labi das KZ Bergen-Belsen. Das kleinste ermordete Kind war ein jüdischer Junge namens Robert Silberstein, der schon sieben Wochen nach seiner Geburt nach Auschwitz deportiert worden war. Deshalb schlug die Arbeitsgemeinschaft bereits vor Monaten dessen Namen für eine Straße vor.
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