Zeitung für den Altkreis Lübbecke / Neue Westfälische ,
09.11.2004 :
Ein Ort des Gedenkens fehlt / Wolfgang Stumme sieht eine Lücke in der Geschichte der Stadt Espelkamp
Von Hans Kracht
Espelkamp-Altgemeinde/Rahden. Mit dem 9. November verbinden sich viele geschichtsträchtige Ereignisse. Die so genannte "Reichspogromnacht" gehört dazu und ist ein besonders dunkles Kapitel deutscher Geschichte. Doch nicht nur Juden waren Opfer, denen in diesen Novembertagen ebenso ein ehrendes Gedenken gilt wie allen anderen Opfern von Kriegen und Gewaltherrschaft.
Ein ehrendes Gedenken an die einst in der Heeres-Munitionsanstalt Lübbecke umgekommenen russischen Gefangenen hat es bisher nicht geben. In Espelkamp gibt es auch keinen Ort des Gedenkens an diese Opfer. Dieser Ansicht ist Dr. Wolfgang Stumme. Der heute in Mainz wohnende Stumme lebte von 1946 bis 1965 in Espelkamp. Er hat sich seit fast zwei Jahren intensiv darum bemüht, in Erfahrung zu bringen, wo die verstorbenen russischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter beigesetzt wurden.
Lediglich für einige Kriegsmonate (Juli 1942 bis Mai 1943) kann eine Beisetzung von 24 Opfern auf dem Friedhof in Rahden nachgewiesen werden, wie der in Mainz lebende Stumme herausgefunden hat. Von 23 dieser Opfer seien die Namen bekannt.
Auf dem Rahdener Friedhof erinnert zwar ein kleiner, unscheinbarer Grabstein in kyrillischer Schrift an diese Opfer. Die Übersetzung lautet: "Hier sind beerdigt 24 Menschen, Sowjetbürger, welche ums Leben gekommen sind in der faschistischen Gefangenschaft von 1941 - 1945".
Die Namen werden ebenso nicht erwähnt wie die Tatsache, dass sie in der "Muna" gestorben sind. Und die Anbringung einer deutschen Übersetzung, die der Haupt- und Finanzausschuss Rahden bereits 1999 einstimmig beschlossen hat, sei bislang noch nicht erfolgt, so Wolfgang Stumme.
Im Januar/Februar 1944 sind drei namentlich bekannte Opfer auf dem jüdischen Friedhof der Altgemeinde beigesetzt und im Mai 1961 auf den russischen Soldatenfriedhof in Stukenbrock umgebettet worden. "Hinweise auf den Verbleib der übrigen Opfer vor Juli 1942 und nach Mai 1943 habe ich trotz intensiver Recherchen in den verschiedenen Archiven in Ostwestfalen nicht finden können", so Stumme. "In Espelkamp gibt es keinen Ort des Gedenkens an diese Opfer", bedauert er. "Bei der Errichtung der Gedenkstätte auf dem Grünanger ist an die in Espelkamp zur Arbeit gezwungenen russischen Kriegsgefangenen nicht gedacht worden. Diese Opfer finden auch nicht in der Ausstellung im Rathaus und auch nicht in dem Begleitheft zu dieser Ausstellung irgendeine Erwähnung." In Städten mit ähnlicher Vergangenheit wie Espelkamp sei das Gedenken an die Opfer der Nazi-Diktatur bereits vor Jahren in angemessener Form thematisiert worden.
Vorstellbar hält Stumme es, das gemeinsam mit dem Rahdener Rat eine in deutscher Sprache verfasste Gedenktafel auf dem Rahdener Friedhof errichtet wird. "So können die scheinbar namenlosen Verstorbenen aus ihrer Anonymität befreit und ihnen ihre Identität zurück gegeben werden."
Ebenfalls vorstellbar ist für Wolfgang Stumme eine gründliche Überarbeitung der stadthistorischen Ausstellung und des Begleitheftes, "um eine Lücke in der Geschichte der Stadt Espelkamp zu schließen".
Dabei sollten nach seiner Ansicht – eventuell gemeinsam mit Espelkamper Schulen – auch die Lebens- und Arbeitsbedingungen der in der Heeres-Munitionsanstalt eingesetzten Kriegsgefangenen dargestellt werden, "um so ein würdiges Gedenken der Überlebenden und der Verstorbenen zu ermöglichen."
lok-red.luebbecke@neue-westfaelische.de
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