Die Glocke ,
09.11.2004 :
Stadtführung "Auf den Spuren jüdischen Lebens" / Dunkle Seite der Heimatgeschichte
Beckum (cc). In Erinnerung an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 begab Stadtführerin Hildegard Averdung sich am Sonntag mit 35 Zuhörern auf die Spuren jüdischen Lebens in Beckum. Heute vor 66 Jahren trat auch in Beckum der Rassenhass der Nationalsozialisten auf beschämende Weise offen zu Tage. "Dieses Stück Vergangenheit gehört zu unserer Stadtgeschichte. Und wir müssen uns die Zeit nehmen, uns damit zu beschäftigen", warb Hildegard Averdung dafür, auch mit dem dunklen Kapitel deutscher Geschichte verantwortungsvoll umzugehen.
Nichts ist mehr so, wie es die jüdischen Einwohner Beckums vor ihrer Flucht oder Deportation verlassen haben. Der jüdische Friedhof ist das einzige deutliche Zeichen jüdischen Lebens in Beckum. Die Synagoge an der Nordstraße existiert nicht mehr, und die Häuser sind nicht mehr wiederzuerkennen. Aber gerade hinter den Fassaden verstecken sich Schicksale. Der vor einigen Jahren verstorbene Beckumer Hugo Krick hatte den Kontakt zu den Juden wiederhergestellt und sammelte die Berichte über die Schicksale in einem Buch. Hildegard Averdung griff bei der Führung viele von diesen Schicksalswegen auf: "Vor allem auf der Nordstraße kann man, wenn man ein bisschen seinen Kopf reckt, noch Hinweise auf die jüdischen Erbauer der Häuser erkennen, so zum Beispiel von der Familie Terhoch, damals angesehene Bürger der Stadt." Ihr Haus befand sich in der Nordstraße 34. Familienvater und Geschäftsmann Abraham Terhoch war im Jahr 1933 verstorben. Die Witwe bekam schon vor der Pogromnacht die judenfeindliche Stimmung zu spüren. Als Folge der Stimmungsmache des NS-Regimes blieb das ehemals gehobene Konfektionsgeschäft ohne Kundschaft, sodass die Witwe Emma das Geschäft nicht mehr halten konnte. Immerhin blieb das Geschäftshaus von Zerstörungen verschont, da Emma und ihre sechs Kinder rechtzeitig vor dem 9. November nach Wiesbaden flohen. Trotzdem wurden sie weiter verfolgt. Emma und drei ihrer Kinder starben in Konzentrationslagern. Heute findet sich im Giebel des Jugendstilhauses immer noch ein großes "T", das an die Familie erinnert.
glocke-online@die-glocke.de
|