Höxtersche Zeitung / Neue Westfälische ,
03.11.2004 :
"Man fühlt deutsch, spricht aber polnisch" / Himmighausen: Till Scholtz-Knobloch referierte in der Gesamtdeutschen Bildungsstätte
Himmighausen (nf). "Die Deutsche Minderheit in Oberschlesien - eine aussterbende Volksgruppe?" Diese Frage untersuchte beim 17. Himmighäuser Deutschlandgespräch in der Gesamtdeutschen Bildungsstätte Himmighausen der Referent Till Scholtz-Knobloch, der Studienleiter von Heiligenhof (Bad Kissingen) und Hohenberg an der Eger, beides Einrichtungen des Sudetendeutschen Sozial- und Bildungswerkes.
Der Referent hatte von 2000 bis 2003 in Oberschlesien gelebt und war dabei nicht nur auf Spurensuche nach den Wurzeln seiner Eltern, sondern lernte dort unmittelbar die politischen Realitäten kennen. Die Zahlen über die Deutsche Minderheit in Oberschlesien schwanken zwischen 100.000 (Volkszählung) und 300.000 (eigene Angaben).
Oft wird als Zugehörigkeit einfach "Schlesier" angegeben, eine Bezeichnung die so gar nicht existiere. Eines der Probleme der Zugehörigkeit beruhe auf dem dialektischen Begriff des "schwebenden Volkstums". "Man fühlt deutsch, spricht aber polnisch", so Scholtz-Knobloch. Vor der Wende hatte es allerdings das ausdrückliche Verbot gegeben, deutsch zu sprechen, weder in den Schulen noch in den Kirchen. In Oberschlesien war es nicht möglich, DDR-Zeitungen zu kaufen. Das habe verstärkt dazu geführt, den Rückzug im Privaten und das Seelenheil in der Familie zu suchen.
Es gibt heute in Oberschlesien Gegenden - typisch ist der Raum um Oppeln mit einem besonders hohen deutschen Anteil - wo bis zu 30 Prozent der Bevölkerung nach Deutschland pendeln, um etwa in Pflegeeinrichtungen oder der Autoindustrie zu arbeiten (Schwerpunkt ist Nordrhein-Westfalen).
Dadurch entstünden in den überwiegend ländlich geprägten Gebieten Probleme, denn nur die alten Menschen blieben noch vor Ort. Andererseits profitierten dadurch diese Regionen von sehr hohen Durchschnittseinkünften seiner deutschen Bewohner. Seit der Wende gäbe es Freiheiten wie das Bekenntnis zur deutschen Muttersprache, die auch von den Polen gut angenommen würde.
Scholtz-Knobloch sprach auch auftretende Reibungspunkte an. Dazu gehörten die beiden Staatsangehörigkeiten, die dazu führten, dass der Wehrdienst in Polen nicht angetreten werde. Auch die Pflege von (vorher verschütteten) Kriegsdenkmälern noch aus dem Ersten Weltkrieg bildete einen weiteren Streitpunkt. Vorbehalte gegen Deutsche würden jedoch heutzutage immer mehr zurück gedrängt. Eine wichtige Rolle zur Erhaltung der eigenen, deutschen Identität spielten im Lande Josef von Eichendorfs vor allem die Chöre, die sich dem deutschen Liedgut verpflichtet fühlten.
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