Westfalen-Blatt ,
03.11.2004 :
Bundeswehr-Abzug / Jetzt Standorte - demnächst die Wehrpflicht
Von Dirk Schröder
In den Bundeswehr-Standorten in Ostwestfalen-Lippe herrscht Hochstimmung. Statt befürchteter Kürzungen bekommen Augustdorf und Höxter sogar noch insgesamt mehr als 2.000 Soldaten hinzu. Damit gehört diese Region als eine der ganz wenigen in Deutschland zu den Gewinnern der Reform von Verteidigungsminister Peter Struck.
Landauf, landab ist ansonsten der lautstarke Protest nicht zu überhören. Verständlich, denn wo immer die Bundeswehr stationiert ist, zählt sie zu den wichtigsten Wirtschaftsfaktoren. Der Bäcker in der Region muss kleinere Brötchen backen, der Tankstellenpächter wird nicht mehr so viel Benzin verkaufen, und den Handwerksbetrieben fehlen die Streitkräfte als existenzsichernde Auftraggeber. Kurzum, für viele Gemeinden bedeuten die Schließungen Land unter.
Der eine oder andere wird jetzt vielleicht sagen, mit diesen Problemen hätten schon andere Städte und Gemeinden fertig werden müssen, denn dies ist ja nicht die erste Schließung von Bundeswehrwehr-Standorten. Nach dem ersten Wehgeschrei hat man dort auch eine Chance gesehen und die militärischen Flächen und Gebäude in zivile Einrichtungen umgewandelt.
Doch ist dies heutzutage angesichts der konjunkturellen Flaute leichter gesagt als getan. Städte und Gemeinden haben kein Geld, und auch die Landes- und Bundeskassen sind leer.
"Die Kommunen laufen nun erst Sturm gegen Minister Strucks Pläne."
Da sind Wut und Ärger über die Entscheidung des Verteidigungsministers verständlich. Doch Peter Struck will den Spagat, den frühere Verteidigungsminister zwischen den Wünschen betroffener Gemeinden und den Belangen des Militärs unternommen haben, nicht mehr vollführen. Er bekommt nicht mehr Geld aus dem Haushalt, will die Bundeswehr aber fit machen für die Herausforderungen der Zukunft. Da ist es aus seiner Sicht nur folgerichtig, dass er auf die Wünsche einzelner Regionen keine Rücksicht nimmt.
Es trifft zwar zu, dass die Welt sich verändert hat, und dem muss auch Deutschlands Verteidigung angepasst werden. Struck muss sich aber die Frage gefallen lassen, ob er mit seiner Devise, Deutschland werde auch durch Bundeswehreinsätze am Hindukusch verteidigt, und der jetzigen nochmaligen Verringerung der Truppenstärke nicht den Heimatschutz vernachlässigt und sich dies eines Tages rächen könnte.
Die Kommunen laufen nun erst einmal Sturm gegen Strucks Pläne. Dieser Sturm wird wieder abflauen. Ruhe wird aber noch längst nicht einkehren, nicht in die Bundeswehr, nicht in den Regionen, die ungeschoren davon gekommen sind. Sieht man sich die verteidigungspolitischen Richtlinien genau an, so ist dort eigentlich kein Platz mehr für die Wehrpflicht. Noch gehört Peter Struck zu den Verfechtern der Wehrpflicht. Spätestens im nächsten Jahr wird die Diskussion wieder verschärft geführt. Die Frage wird nicht sein, ob Struck standhaft bleibt, sondern: wie lange noch?
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