Westfalen-Blatt ,
03.11.2004 :
Minister Struck und seine "Gift-Liste" / Eine Fortsetzung kann folgen - der Ärger soll bis 2006 vergessen sein
Von Kristina Dunz und Gerd Reuter
Berlin (dpa). Die "Neuigkeit" war bekannt: Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) konnte sich gestern nur wiederholen: "Und wenn die Bedrohung weniger Panzer erforderlich macht, brauchen wir auch nicht mehr so viele Panzerbataillone und Panzergrenadiere."
Vielmehr müssten die Streitkräfte international für Frieden sorgen - auch mit Kampfeinsätzen, wie es Spezialkräfte in Afghanistan bereits getan haben. Die Bundeswehr könne verkleinert werden und das sei lange beschlossen.
Dennoch ist die Union entsetzt. "Struck macht den Heimatschutz platt", sagt der CSU-Politiker Christian Schmidt. Mit dem neuen Konzept gebe es die Bundeswehr in der Fläche nicht mehr und dann könne auch auf Terrorangriffe im eigenen Land nicht schlagkräftig reagiert werden. "Wir zentralisieren ja auch nicht die Feuerwehr."
Strategisch gesehen hat sich Struck für die Verkündung seiner "Gift-Liste" einen guten Zeitpunkt ausgesucht. Nach dem Motto "Zeit heilt alle Wunden" gab er das Aus für 105 Standorte zwei Jahre vor der Bundestagswahl bekannt. Zeitgleich kam die Queen in die Hauptstadt und wartete die Welt auf Ergebnisse der US-Wahl. Damit war Struck die aufgesplitterte Aufmerksamkeit sicher. Gemessen an der dürftigen Informationspolitik gegenüber den Abgeordneten hätte das Ministerium wohl am liebsten ganz geschwiegen. Nun hofft der Sozialdemokrat Struck darauf, dass bis 2006 Ärger und Sorgen vieler Kommunalpolitiker und Wähler über den Bundeswehrabzug aus ihrer Region und damit über Wirtschaftseinbußen verraucht sind. So ist es zumindest in Gebieten gelaufen, die von der ersten Streich-Aktion unter Strucks Vorgänger Scharping 2001 betroffen waren.
Dafür sehen Bürgermeister von jetzt betroffenen Kommunen rot. Von "Willkür" und "Schadenersatzforderungen" ist die Rede. In manchen Regionen war die Bundeswehr der letzte wichtige Wirtschaftsfaktor.
Struck hat keine Rücksicht auf Parteifreunde genommen. Das SPD-geführte Schleswig-Holstein und NRW etwa - beides Länder, in denen schon nächstes Jahr Wahlen sind - verlieren große Standorte mit weit mehr als 1.000 Soldaten.
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