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Lippische Landes-Zeitung , 03.11.2004 :

Verschüttete Erinnerungen / Vor knapp 60 Jahren sollte "Gummibahn" gebaut werden

Lage (be). Trotz ständig zunehmender Luftangriffe war es der Deutschen Reichsbahn bis 1945 möglich, die uferlosen Transportbedürfnisse der Wehrmacht zu erfüllen. Die Sicherstellung der Kapazitäten konnte vielerorts aber nur durch eine provisorische Umgehung neuralgischer Punkte im Gleisnetz erreicht werden. Wegen ihrer oftmals abenteuerlichen Linienführung nannte der Volksmund sie "Gummibahn". Auch in Lage sollte in den letzten Kriegstagen eine solche Strecke gebaut werden. Doch fertig wurde sie nie.

Konrad Soppa beleuchtet in seinem Beitrag für die neueste Ausgabe der "Zeitlupe - Historisches Jahrbuch für Lage" dieses Vorhaben, über das in der Öffentlichkeit so gut wie nichts bekannt ist. Unter Umgehung des Bahnhofes sollten, so die Vorstellung der Planer, die Strecken Lage-Hameln und Lage-Altenbeken miteinander verbunden werden. Während man ohne weiteres von Herford nach Hameln und umgekehrt gelangen kann, ist es wegen des Netzanschlusses im Lagenser Bahnhof unmöglich, von Altenbeken aus nach Hameln zu kommen, ohne umzusteigen oder an der Zugzusammenstellung etwas zu verändern. Die "Gummibahn" sollte das umständliche und nicht zuletzt wegen der Tiefflieger gefährliche Wenden der Lokomotiven überflüssig machen.

Die Stadt war an der Trassenwahl nicht beteiligt. Eine Entscheidung fiel am 7. Februar 1945 im reichsbahneigenen Vermessungsamt in Hannover, Außenstelle Bad Nenndorf. Im März erfolgte das vollständige Abstecken der Linienführung. Dazu nahm damals der Lagenser Bürgermeister Stellung, der in der vorgesehenen Trasse erhebliche Nachteile sowohl für die Bahn selbst als auch für die Stadt sah. Doch die Behörden setzten sich über solche Bedenken hinweg: Wälder wurden abgeholzt und Anlieger enteignet. Augenzeugen nach hielten sich hunderte Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter in Lage auf, um im Auftrag der "Organisation Todt" den Bau der Umgehung in Angriff zu nehmen. Doch das unvorhersehbare schnelle Vorrücken der Alliierten führte dazu, dass sie nicht mehr fertiggestellt werden konnte und es letztlich nur bei den Erdarbeiten blieb. Bevor die Amerikaner einmarschierten, war die Trasse wieder zugeschüttet.

Die "Zeitlupe 2004", herausgegeben von Dr. Hans C. Jacobs und Christina Pohl im Auftrag des Lippischen Heimatbundes, ist in der Geschäftsstelle Lage der Lippischen Landes-Zeitung erhältlich.


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