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Neue Westfälische 13 - Löhne und Gohfeld , 08.04.2013 :

"Unsoziale Krisenlösung" / Interview: Nikolai Huke, Politikforscher, über das Aufkommen der Rechtsextremen

Löhne. In Zeiten der Euro-Krise finden rechtsextreme Parteien in ganz Europa verstärkt Zulauf. "Ein Trend, der sich zu verschlimmern droht", befürchtet Nikolai Huke. Der 29-jährige Politikforscher promoviert zur Zeit an der Universität Marburg. Am nächsten Mittwoch, 10. April, gastiert er auf Einladung der Löhner Volkshochschule in der Werretalhalle zu einem Vortrag mit Diskussion über "Rechtspopulismus in der Euro-Krise“" Im Gespräch mit NW-Redakteur Jürgen Nierste erläuterte Huke einige seiner Thesen.

Herr Huke, in der Ankündigung zu Ihrem Vortrag sprechen Sie von einem "autoritären Umbau der Europäischen Union und der Nationalstaaten". Was verstehen Sie darunter?

Nikolai Huke: Im Rahmen des vielzitierten Fiskalpaktes werden die Rechte von EU-Institutionen massiv ausgebaut. Gleichzeitig werden die Rechte der nationalen Parlamente eingeschränkt. Das wird in Ländern wie Griechenland, Spanien oder Portugal als ausgesprochen autoritärer Umgang empfunden.

"Die Leute stehen vor dem Nichts"

Sie sprechen zudem von einer "unsozialen Krisenlösungspolitik der EU". Was ist am Fiskalpakt unsozial?

Huke: Die einzige Antwort der EU auf die Krise ist immer nur massive Sparpolitik. Das führt aber in den Bevölkerungen zu unsozialen Konsequenzen - und die wiederum sorgen dafür, dass rechtsextreme Parteien Zulauf erhalten.

Welche unsozialen Konsequenzen meinen Sie?

Huke: Vor allem natürlich sinkende Löhne, was gerade bei Geringverdienern bittere Folgen hat. In Spanien zum Beispiel steigt die Zahl der Zwangsversteigerungen von Häusern immens. Die Leute stehen vor dem Nichts.

Sie vertreten den Standpunkt: "Krisenlösung und Europa gehen nur ganz anders". Ja, und wie denn?

Huke: Notwendig wären nicht die ewige Fortschreibung von Sparmaßnahmen, sondern im Gegenteil öffentliche Investitionen, ganz im Sinne von Maynard Keynes, einem der berühmtesten und bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts. Keynes hat die These geprägt: "In Krisenzeiten müssen sich Staaten antizyklisch verhalten und investieren statt sparen."

Sollen also lieber noch mehr Schulden gemacht werden?

Huke: Keineswegs, es geht auch um höhere Staatseinnahmen. Bislang haben die Regierungen die Lasten der Krise fast ausschließlich den Arbeitnehmern aufgebürdet. Sie sollten sich vielmehr die Frage stellen: Für welche Einkommensgruppen erhöhen wir die Steuern? Und für welche Gruppen senken wir sie? Damit können die Regierungen für soziale Gerechtigkeit sorgen. Und die ist eindeutig eine ganz wichtige Bedingung, damit die Rechtsextremen keinen Zulauf erhalten.

Behaupten Sie denn, dass das Aufkommen der Rechtspopulisten ausschließlich eine Folge der EU-Krise ist?

Huke: Nein, das lässt sich natürlich nicht darauf reduzieren. Ich halte es aber für erwiesen, dass soziale Verunsicherung und Entdemokratisierung ganz erheblich zur hohen Rate von menschenverachtender, faschistischer, rechtsextremer Einstellung beiträgt.

Sie fordern, die EU solle "echte Demokratie" verwirklichen. Was verstehen Sie darunter?

Huke: Die bisherigen Krisenlösungen der EU, siehe Fiskalpakt, sind ausgesprochen bürokratisch und für viele Menschen einfach nicht transparent. Wenn die Menschen aber nicht mehr versteht, was da eigentlich genau passiert, ist das auch nicht demokratisch.

Info / Vortrag in Löhne

"Rechtspopulismus in der Euro-Krise" heißt der Vortrag mit anschließender Diskussion mit dem Politikforscher Nikolai Huke, der zur Zeit an der Universität Marburg promoviert.

Termin ist am Mittwoch, 10. April, um 20 Uhr, im VHS-Forum in der Löhner Werretalhalle.

Karten gibt es an der Abendkasse sowie im Vorverkauf bei der Volkshochschule.

Bildunterschrift: Finanzkrise stärkt Rechtsextreme: Diese These findet Nikolai Huke, Politikforscher an der Universität Marburg, in seinen Untersuchungen bestätigt. Er erläutert sie in einem Vortrag vor der VHS Löhne.


loehne@neue-westfaelische.de

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