Lippische Landes-Zeitung ,
30.10.2004 :
Bekanntes Muster / "Tod beim Flug in die Heimat", LZ vom 19. Oktober
"Wie wilde Tiere gefesselt" und zu Paketen verschnürt, so die deutsche Abschiebungspraxis gegenüber einem Menschen aus, der - aus einer Todeszone Afrika kommend- bei uns Zuflucht suchte. Einzelfall? Es darf bezweifelt werden, ob sich daran nach dem Urteil des Frankfurter Landgerichts gegen drei Bundesgrenzschützer wesentliches ändern wird.
Fünf Jahre benötigte die deutsche Justiz, um den Fall überhaupt zu verhandeln. Am Ende stand ein Urteil, das einem Freispruch näher kommt, als dass es eine abschreckende Wirkung auszulösen vermag. Immerhin hat ein mutiger Richter die eigentlich Verantwortlichen in der BGS-Spitze und dem Innenministerium ausfindig gemacht und einen Vergleich der Zustände mit den US-Straflagern von Abu Ghraib oder Guantanamo gewagt. Treffend sieht Pro Asyl die verurteilten Beamten am Ende einer Kette "organisierter Verantwortungslosigkeit". Das Muster ist bekannt, wie im Fall Scheffelmeier ist oberhalb einer bestimmten Zuständigkeit niemand mehr haftbar zu machen. Offenbar einmal mehr eine Lücke in der Gesetzgebung, die vom Gesetzgeber so gewollt ist, um sich der Verantwortung zu entziehen.
Es hat Zeiten gegeben, da traten in demokratischen Staaten Minister aufgrund ähnlicher Vorkommnisse von ohren Ämtern zurück. Nun aber bleibt es (wie lange noch?) dabei: Den Letzten beißen die Hunde. Herr Schily sucht zudem den Schulterschluss mit Berlusconis (Rechts-)Außenminister, um seine "geniale", dazu noch menschenfreundlich getarnte Idee von Auffanglagern für Asylsuchende in Nordafrika als europaweites Modell anzupreisen.
Wenn die gesetzliche Ordnung es nicht mehr zulässt, dass ein Verfolgter aus dem Sudan (!) - 70.000 Tote hat es inzwischen allein in der Provinz Dafur gegeben - bei uns Zuflucht suchen darf, dann kann man mit Recht sagen, dass das grundgesetzlich garantierte Asylrecht von den Parteien abgeschafft worden ist. Wird sich einmal ein Jurist finden, der dieses Unterlaufen einer grundgesetzlichen Ordnung anficht, und wird die deutsche Öffentlichkeit auch dann noch einmal ihre Verantwortung wieder entdecken, wenn es nicht nur um das eigene Wohlergehen geht? Jeder weitere Auswuchs der vorgegebenen Art beiinträchtigt das Ansehen unseres Landes und kränkt jedes wache Gewissen.
Walter Berchter
Heidrunweg 4
Detmold
30./31.10.2004
Detmold@lz-online.de
|