Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische ,
30.10.2004 :
"Bush ist gescheitert" / ZDF-Reporter Elmar Theveßen zog kritische Bilanz
Paderborn (elk). Politiker erzählen viel, wenn sie Wählerstimmen gewinnen wollen. Und allzu häufig kommen sie auch damit durch, weil sich später niemand mehr daran erinnert, was sie früher genau gesagt und versprochen haben.
Nur wenige machen sich die Mühe, Aussagen so akribisch festzuhalten und zu prüfen wie Elmar Theveßen in seinem Buch "Die Bush-Bilanz – Wie der US-Präsident sein Land und die Welt betrogen hat". Am Donnerstagabend fasste der ZDF-Korrespondent vor rund 300 interessierten Zuhörern in der Uni einige der wichtigsten Kritikpunkte an Politik und Person des US-Präsidenten zusammen.
Der 37-Jährige begann mit dem wichtigsten Thema, dem Terrorismus: Der Präsident und seine Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice hätten immer abgestritten, dass es bereits vor dem 11. September Hinweise auf einen Anschlag gegeben habe. Theveßen belegte, dass es bereits im August 2001 Warnungen gegeben hat, in denen von einem Anschlag mit "dramatischen Opferzahlen" die Rede war, von Flugzeugentführungen und vom Versuch Osama Bin Ladens, Piloten anzuwerben.
Weitere Quellen machen deutlich, dass es bereits im Jahr 2000 – also lange vor dem 11. September – den Plan gab, die so genannten "Schurkenstaaten" zu beseitigen. Bereits im Februar 2001 seien Pläne geschmiedet worden für einen Irak nach Saddam Hussein.
Für Gelächter sorgte ein Zitat, in dem Bush seine Vorstellung von der Außenpolitik angekündigt hatte: "Die USA müssen bescheiden sein, stolz und selbstbewusst in ihren Werten, aber demutsvoll in der Art, wie wir andere behandeln" und "ohne jede Arroganz".
Punkt für Punkt, sehr sachlich und immer mit Belegen stellte der Journalist Aussagen und Versprechen des Präsidenten späteren gegensätzlichen Aussagen, Fakten, Verhaltensweisen oder Resultaten seiner Politik gegenüber. Für ihn steht fest: "Egal ob Bush wieder gewählt wird oder nicht – für mich ist er auf jeden Fall gescheitert."
Zugute halten müsse man George W. Bush allerdings seine Entschlossenheit und seinen Mut zum Handeln. "Es ist die Frage, ob John Kerry dies auch hätte", leitete der 37-Jährige zum Thema Wahlkampf über. "Wenn Kerry gewählt wird, müssen wir uns darauf einrichten, dass unsere Mithilfe im Kampf gegen den Terrorismus gefordert wird."
Die Situation sei heute viel gefährlicher als im Kalten Krieg, weil der heutige Gegner nicht scheuen würde, Massenvernichtungswaffen einzusetzen.
Im Hinblick auf die Wahl befürchtet der ZDF-Korrespondent ein erneutes Chaos: In den USA gebe es 900 verschiedene Methoden, seine Stimme abzugeben. Jeder Wahlkreis habe sein eigenes System. In Ohio, einem möglicherweise entscheidenden Staat, praktizierten 70 Prozent der Wahllokale immer noch das umstrittene Lochstanz-System. Deshalb hätten beide Seiten für den Fall eines knappen Wahlausgangs bereits Protestschreiben vorbereitet.
Er selbst sei am Dienstag in Washington im Einsatz und überlege schon, einen zweiten Koffer mitzunehmen. Es könnte ja wieder länger dauern.
30./31.10.2004
lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de
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