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Kontraste , 28.10.2004 :

Armes Deutschland – Hitlers Ritterkreuzträger feiern die eigene Tapferkeit / Beitrag von Roland Jahn und Caroline Walter, ARD, 28.10.2004, 21.45 Uhr

Wo kommen denn plötzlich all die Neonazis her? Wie ist es denn möglich, dass so viele junge Wähler, vor allem junge Männer, ein rechtsextremes Deutschland für eine gute Zukunftsaussicht halten? Sie sind nicht plötzlich vom Himmel gefallen, die Jungen und ihre Ideen. Mythen und Ideologien, sie haben ja nicht am 8. Mai 1945 aufgehört in deutschen Köpfen zu existieren. Und in etlichen deutschen Köpfen existieren so manche bis heute. Alte uneinsichtige Männer als Vorbilder, als Idole für junge Menschen. Traditionspflege nennen sie das wohl: Veranstaltungen wie die, über die Roland Jahn und Caroline Walter berichten. Bankangestellte und Polizeibeamte, Ärzte und Lehrer. Die "Mitte der Gesellschaft" nennt man sie gern. Eine Milieu-Studie im Herbst 2004.

"Nazis raus, Nazis raus."

Hameln vor zwei Wochen. Die Stadthalle ist abgeriegelt. Hier trifft sich Hitlers Elite. Die Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger lädt zum Fototermin. Ein Verein hochdekorierter Wehrmachtssoldaten.

"Alle herschauen."

Fast 60 Jahre nach einem grausamen Krieg tragen sie ihr Ritterkreuz immer noch mit Stolz.

Kontraste: "Wie fühlt man sich als Träger des Ritterkreuzes fast 60 Jahre nach dem Krieg?"
Ritterkeuzträger: "Sehr gut. Ich bin stolz darauf."

Kontraste: "Wie kann man heute 60 Jahre nach dem Krieg noch stolz sein?"
Ritterkeuzträger: "Warum nicht. Wir haben ja nichts Böses getan. Wir haben ja nur das gemacht, was uns befohlen worden ist."

Gedient haben sie unterm Hakenkreuz. In der Chronik der Ordensgemeinschaft finden wir das Ritterkreuz im Original. Diese höchste Auszeichnung hat Hitler persönlich eingeführt: für "besondere Tapferkeit" und "selbstlosen Kampfeinsatz". Nur ganz wenige in der Wehrmacht bekamen das Ritterkreuz. Sie waren die Elite, die besonders eifrig einem verbrecherischen Regime diente. Doch bis heute verdrängen sie ihre Verantwortung.

Kontraste: "Haben Sie sich im nachhinein gefragt, dass sie einer Diktatur gedient haben?"
Ritterkeuzträger: "Was ist das für eine Frage. Ich hab dem deutschen Volk gedient, und wer das Volk führt, interessiert mich nicht."

Ritterkeuzträger: "Die ganze Welt hat uns Krieg gebracht. Wir haben uns doch nur verteidigt."

Draußen demonstrieren Hamelner Bürger gegen Verdrängen und Vergessen.

Heinz Fischer, Vereinigung Verfolgter des Naziregimes: "Sie haben doch für ein verbrecherisches System gekämpft. Und die haben erst die Länder erobert, in der dann die KZ-Lager errichtet werden konnten und der die Massenerschießungen stattfanden. Dann soll sie doch wenigstens diesen Orden, den sie dafür bekommen haben, verstecken oder sie sollen ihn wegwerfen und nicht hier noch große Veranstaltungen machen und sich als Helden feiern zu lassen."

Unter den Demonstranten sind viele Russen und Ukrainer. Deren Angehörige wurden als Zivilisten von Deutschen in Uniform ermordet. Sie gehören zur jüdischen Gemeinde in Hameln, versuchen in Deutschland eine Heimat zu finden.

Demonstrant: "Die sind nach Deutschland gekommen mit guten Gefühlen. Und was sehen wir heute? Was ist das? Was ist das für Helden?"

Drinnen lassen sich Hitlers Ordensträger bei ihrem Kameradschaftsabend nicht stören. Unbeschwert feiern sie ihre soldatischen Heldentaten.

Ritterkeuzträger: "Wir haben unzählige Luftkämpfe erfolgreich beendet."
Ritterkeuzträger: "Ich hab mit einem Spähtrupp von acht Mann ein russisches Bataillon aufgerieben. Und dafür hab ich das Ritterkreuz gekriegt."

Solche Heldengeschichten ziehen viele Junge in die Ordensgemeinschaft. Auch sie können Mitglied werden, wenn sie sich in die Tradition stellen. Inzwischen hat der Verein sogar mehr jüngere Mitglieder als Veteranen.

Kontraste: "Warum sind Sie Mitglied der Ordensgemeinschaft?"
Ordensmitglied: "Weil ich eben die Tradition der deutschen Soldaten pflegen möchte und hier ne‘ gute Kameradschaft herrscht."

Die Verbrechen der Wehrmacht dagegen – kein Thema in der Ordensgemeinschaft. Statt die Jugend aufzuklären, ignorieren die Ritterkreuzträger die Rolle der Wehrmacht im NS-System.

Ordensmitglied: "Die Soldaten der Wehrmacht haben ihre Pflicht in gutem Glauben, aus Liebe zum Vaterland getan. Und weil das Gesetz es befahl."

Gekämpft fürs Vaterland – solche Reden empören die Demonstranten draußen vor der Halle.

Heinz Fischer, Vereinigung Verfolgter des Naziregimes: "Da kann man doch nicht sagen, ich kämpfe für mein Vaterland, wenn ich mein Vaterland so mit Schmutz und Blut und Dreck, Krieg und Gewalt überziehe, wenn ich über andere Länder herfalle, es gibt doch kaum ein Land, das nicht von diesen Leuten überfallen worden ist."

Am nächsten Morgen in der Hotellobby: Autogrammstunde, die Ritterkreuzträger werden hofiert wie Stars. Wem ein Autogramm nicht reicht, für den gibt’s Souvenirs: einen Bierkrug mit Ritterkreuz. Und einen Kalender: Ritterkreuzträger in Farbe. Er begleitet die Vereinsmitglieder durchs Jahr. Tägliche Heldenverehrung. Den Monat Juli schmückt ein Mann der Waffen SS. Die Einheiten der Waffen SS – fanatisch und berüchtigt wegen ihrer Brutalität. In der Ordensgemeinschaft finden wir viele Mitglieder der Waffen SS.

Alois Schnaubelt – ist einer von ihnen. Wir treffen ihn in der Lobby.

Alois Schnaubelt, ehem. Waffen-SS: "Ja, ich war Waffen-SS. Ich war Waffen-SS und hab als Waffen-SS-Mann für Deutschland gekämpft, auch für Dich, ob zwar Du noch nicht da warst. Weil wenn wir nicht gewesen wären, wär der Russe marschiert bis unten nach Biarritz, und vielleicht noch, wär Europa ganz kommunistisch geworden, hätt‘ Ihr nicht das Leben, was Ihr heute habt. Und nach dem Krieg - wir haben eben Pech gehabt, wir haben verloren, weil die ganze Welt gegen uns war, haben wir verloren."

Den Krieg verloren statt befreit von einem Diktator. Solche Reden ziehen besonders Rechtsextreme an.

Ordensmitglied: "Mein Opa war selber in der Waffen-SS und da bin ich stolz drauf. Weil‘s die besten Soldaten der Welt sind."
Kontraste: "War das eine Elite für Sie?"
Ordensmitglied: "Ja, das ist schon eine Elite für mich."

Er ist ein Anhänger der NPD.

Gemeinsam gedenkt die Ordensgemeinschaft der gefallenen deutschen Soldaten. Die Ritterkreuzträger stört es nicht, dass sie Rechtsextreme in ihren Reihen haben.

Auch ein Bundeswehr-Soldat ist anwesend. Eigentlich dürfte er hier nicht in Uniform auftreten. Die Bundeswehr hat ein offizielles Kontaktverbot zur Ordensgemeinschaft verhängt. Gerade wegen ihrer Verbindung zu Rechtsextremen.

Kontraste: "Dürfen wir Sie was fragen, wir sind von der ARD?"
Bundeswehrangehöriger: "Ich möchte aber nicht mit Ihnen sprechen."
Kontraste: "Was sagen Sie denn zu dem Kontaktverbot der Bundeswehr?"
Bundeswehrangehöriger: "Ich möchte hier nicht mit Ihnen sprechen."

Am Abend: Das große Fest: Junge Burschenschaftler sind eingeladen, Nachwuchspflege. Auch der Mann in Uniform ist wieder da. Wir erfahren, dass viele Bundeswehrsoldaten Mitglieder in der Ordensgemeinschaft sind – versteckt, in zivil.
Und dann wird der Überraschungsgast begrüßt: General Günzel, bis vor einem Jahr noch Chef der Bundeswehr-Spezialeinheit KSK. Unehrenhaft entlassen. Er hatte eine Rede gelobt, die als antisemitisch kritisiert wird. Heute scheut er sich nicht, seine Spezialeinheit in die Tradition von Hitlers Elite zu stellen.

Reinhard Günzel, Ex-Chef Kommando-Spezialkräfte: "Mich verbindet in erster Linie, das besondere soldatische Element, die Opferbereitschaft, die Tapferkeit, das was auch das Kommando-Spezialkräfte, deren Kommandeur ich war in besonderer Weise ausgezeichnet hat."

Sogar die Festrede hält ein ehemaliger Generalmajor der Bundeswehr: Er behauptet: es ist egal, dass die Ritterkreuzträger einer Diktatur gedient haben. Hauptsache gut.

Gerd Schultze-Rhonhof, Generalmajor a.D. (Bundeswehr): "Sie, die Träger des Ritterkreuzes, waren nach Leistung, Erfolg und Haltung im Gefecht die Elite der Wehrmacht und der Waffen-SS. Und das Gefühl, dies gewesen zu sein, darf Ihnen kein Neid, keine Schmähung und kein politisch historischer Vorbehalt nehmen. Ich verneige mich vor Ihrer Lebensleistung."


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