Neue Osnabrücker Zeitung
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30.09.2004 :
"Wir gehen nicht ohne Alternative"
Von Meike Hohenbrink
Die Eskalation des Konflikts droht. "Wir gehen nicht ohne Alternative", bekräftigen die einen. "Es wird geräumt", versichern die anderen. Die Zukunft des Autonomen Zentrums (AZ) und die der acht Bewohner der Wagenburg am Fürstenauer Weg steht auf dem Spiel.
In genau einem Monat, am 31. Oktober, läuft die gerichtlich festgelegte Frist ab. Bis dahin muss der Platz am Fürstenauer Weg geräumt worden sein. Doch die Bewohner der Wagenburg und der Verein Avanti sind standhaft: "Wir bleiben. Sonst haben wir nichts", sagt Hildegard Winkler, Vorsitzende des Vereins. Nach ihren Angaben werden Alternativen von der Stadtverwaltung geprüft, doch bislang ohne Erfolg.
Avanti verfolgt vorrangig zwei Ziele: Antifaschismus und Selbstverwaltung. Doch die Selbstorganisation stößt an ihre Grenzen, denn ein geeigneter Aufenthaltsort fehlt ebenso wie das nötige Kleingeld. "Wir brauchen ein Gebäude", fordert Winkler. Dabei sei der Verein durchaus bereit, Pacht zu zahlen, jedoch nur zu einem niedrigeren Zins. "Wir können das sonst nicht bezahlen", stellt die Pädagogin fest.
Nachdem Avanti auf vorläufigen Rechtsschutz geklagt hat, steht derzeit noch eine endgültige Entscheidung über die Zukunft der Wagenburg beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg aus (siehe auch "Zur Sache").
Dazu sagt der städtische Rechtsamtsleiter Dr. Gerd Kuhl: "Wir werden die Entscheidung abwarten." Dann werde jedoch gehandelt. Sprich: Notfalls wird die Wagenburg mithilfe der Polizei geräumt. Denn bauordnungsrechtlich könne die Situation am Fürstenauer Weg nicht geduldet werden.
Die Verwaltung sucht derweil nach einem alternativen Standort. Doch bislang hätten sich alle Eventualitäten zerschlagen, teilte Sozialdezernent Reinhard Sliwka mit. "Wir sind um eine einvernehmliche Lösung bemüht", versicherte er.
Das politische Lager ist gespalten. Michael Hagedorn, Chef der Grünen-Ratsfraktion, bezeichnet das Angebot des AZ als "sinnvoll". Er sehe "keine Not, da so Druck zu machen". Hagedorn plädiert vielmehr für eine friedliche Lösung. Es müsse schließlich irgendwo in der Stadt einen Ort für den Verein geben. Das sieht auch Ulrich Hus, SPD-Fraktionsvorsitzender, so. Er betont: "Es soll keine Obdachlosigkeit entstehen." Er fordert mehr Toleranz.
Die CDU/FDP-Mehrheit im Rat ist sich dagegen einig. "Ich habe die Schnauze voll." Dr. Thomas Thiele, FDP-Fraktionsvorsitzender, findet klare Worte. "Es gibt Menschen, die müssen sich über alle Regeln hinwegsetzen", sagt er mit Blick auf die Autonomen. Jeden Bürger, der unerlaubt auf seinem Grundstück gebaut hätte, hätte man schon lange zur Verantwortung gezogen, ist Thiele sich sicher. "Sie (die Autonomen) halten sich nicht an Recht und Ordnung."
Irene Thiel, CDU-Fraktionschefin, bläst ins gleiche Horn. "Wir haben nichts dagegen, wenn sie sich an einem anderen Ort etwas mieten." Doch am Fürstenauer Weg sei der Verbleib des AZ nicht möglich, eine Sonderstellung ebenso wenig.
Für Hildegard Winkler steht fest: "Unser Konzept ist nicht nur bloße Theorie, sondern hat sich durchgesetzt." Man trage zur Jugendarbeit bei. Viele Jugendliche, die an anderen Orten "keine Ruhe" fänden, würden im AZ aufgefangen und betreut. Die Zusammenarbeit mit Polizei und Jugendamt sei gut. Doch die Zeit läuft. Winkler weiß das. "Wir sehen das ganz realistisch", sagt sie. "Die einzige Chance ist eine Alternative."
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