Bünder Tageblatt / Neue Westfälische ,
26.10.2004 :
Für Frieden und Verständigung / Gemeinsames Gebet mit Juden und Christen in der Laurentiuskirche
Bünde (NW). Am Samstag erlebte die Stadt Bünde eine besondere Geste der Verständigung und des Miteinanders. Juden und Christen feierten gemeinsam in der evangelischen Laurentiuskirche das Ende des jüdischen Sabbat und den Beginn des christlichen Sonntags und waren in einem interreligiösen Gebet für Frieden und Verständigung vereint.
Vor 66 Jahren, am 10. November 1938, endete mit der Zerstörung der Synagoge endgültig das öffentliche jüdische Leben in Bünde. Vier Jahre später wurden fast alle Bünder Juden, die nicht emigriert waren, deportiert und ermordet. Jetzt besuchen junge amerikanische Juden das Land ihrer Vorfahren.
Die Schülergruppe "Netzwerk" des Bünder Gymnasiums am Markt besuchte vor drei Jahren unter Leitung ihrer Lehrerin Christina Whitelaw eine jüdische Gemeinde in Denver, Colorado. Sie folgten damit einer Einladung von Werner Spanier und lernten so junge Juden kennen, deren Familien teilweise aus Bünde stammen. In diesen Tagen erfolgt der Gegenbesuch in Bünde unter Leitung von Rabbi Zwerin, bei dem die jungen Amerikaner und die Bünder Jugendlichen den Dialog "Wir und unsere Großeltern" vertiefen wollten.
Es geht dabei um die Frage, wie die junge Generation trotz einer belasteten Vergangenheit Gemeinsamkeit entwickeln kann. Dabei erkundet die Gruppe mit ihren Bünder Gastgebern neben dem Bünder Land auch die deutsche Hauptstadt.
Ein wichtiger Baustein in diesem Programm der Begegnung war am Samstag ein interreligiöses Gebet in der Laurentiuskirche. Rabbi Zwerin und Pfarrer Wilmer feierten gemeinsam mit den anwesenden Juden und Christen das Ende des Sabbat und den Beginn des Sonntags. Mittelpunkt der beeindruckenden Feier stand der Psalm 23, der von den amerikanischen Gästen in Deutsch, Englisch und Hebräisch gelesen wurde. Dazu sang die vereinlte Gemeinde das "Laudate omnes gentes".
Kantorin Angela Gold sang unterstützt von den jungen jüdischen Gästen liturgische Gesänge und Peter Blase trug ein Friedenslied vor. Organistin Dorothea Redeker spielte zwei Orgelstücke von Felix Mendelsohn-Bartholdy.
In seinem Schlussgebet sprach Pfarrer Rainer Wilmer den Wunsch der Menschen nach Gemeinsamkeit unter Wahrung der Unterschiede an und schloss mit einem Segensgruß.
Das gemeinsame Gebet in der Laurentiuskirche ist ein eindruckvolles Zeugnis der Gesprächsbereitschaft zwischen Juden und Christen und macht den Wunsch nach Frieden und Verständigung deutlich. Damit fand gleichzeitig zum ersten Mal nach über 65 Jahren in Bünde wieder öffentlich ein Stück jüdischer Liturgie statt, womit eine religiöse Lücke in unserer Stadt geschlossen wurde.
lok-red.buende@neue-westfaelische.de
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