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Tageblatt für Enger und Spenge / Neue Westfälische , 22.10.2004 :

Jüdische Spuren in der Nachbarschaft / Norbert Sahrhage berichtet im Historischen Jahrbuch über neue Forschungsergebnisse aus Spenge

Von Britta Bohnenkamp-Schmidt

Spenge. Dass auch in der Stadt Spenge im 19. Jahrhundert einige jüdische Familien wohnten, ist bisher nur wenig bekannt. Wie, wo und wovon sie lebten und wie sie ihre Glaubensgemeinschaft pflegten, beleuchtet ein Artikel im neuen "Historischen Jahrbuch für den Kreis Herford", das am 15. November erscheinen wird. Norbert Sahrhage, Historiker und Geschichtslehrer aus Spenge, folgt in seinem Beitrag den "jüdischen Spuren im Amt Spenge", bis sich diese Ende des 19. Jahrhunderts wieder verlieren.

Norbert Sahrhage, der als Fachmann für die Themenbereiche Judentum und Nationalsozialismus in der Region gilt, hat in den Akten der Archive in Detmold, Herford und Spenge recherchiert: "Erste Zuzüge von Juden in das Amt Spenge fanden in den Jahren 1813 und 1814 statt", berichtet er, weil die Juden zu dieser Zeit die bürgerliche Gleichstellung erhielten und damit auch größere räumliche Mobilität gewannen. Etwa dreißig Personen jüdischen Glaubens waren es, die sich bis 1817 in Spenge niederließen, wo sie jedoch nicht ohne Argwohn betrachtet wurden: "Auf dem platten Lande wohnten in früherer Zeit keine Juden, und ihre Ansiedelungen daselbst sind umso nachtheiliger, weil sie hier mehr im Verborgenen ihr Wesen treiben können", schrieb der Bünder Kreiskommissarius von Borries an die Regierung in Minden. Im Sinne dieser skeptischen Haltung wurden der Zuwanderung weiterer Juden deutliche Schranken gesetzt, so dass die Zahl der jüdischen Familien im Amt Spenge über Jahrzehnte hinweg nahezu gleich blieb.

Während im benachbarten Enger eine eigene Synagogengemeinde bestand – wie übrigens auch in Herford, Bünde und Vlotho – war die Anzahl der Juden in Spenge dafür zu klein. Sie mussten die Gottesdienste in Enger besuchen. Da die Kinder wegen schlechter Straßen und fehlender Verkehrsanbindung nicht regelmäßig die jüdische Schule in Enger besuchen konnten, nahmen sie am Unterricht der evangelischen Schulen in ihren Gemeinden teil.

Ihren Lebensunterhalt verdienten die Juden vornehmlich mit "Hausier- bzw. Kleinhandel". Während sie anfangs in bescheidenen Verhältnissen lebten, konnten sie ihre wirtschaftliche Situation mit den Jahren entscheidend verbessern. Sie erwarben Haus und Grund und wurden zu fest angesiedelten Kaufleuten. So zum Beispiel Jacob Vogel, der an der Langen Straße / Ecke Werburger Straße ein Textil- und Haushaltswarengeschäft betrieb.

Seit Anfang der 1860er Jahre, so hat Norbert Sahrhage festgestellt, nahm die jüdische Bevölkerung in Spenge wieder ab. "Vor allem bessere wirtschaftliche Perspektiven", so der Historiker, "bewogen die Juden in größere Städte zu ziehen, wo sich ihre Spuren größtenteils nicht mehr nachvollziehen lassen."

Wer Interesse am "Historischen Jahrbuch für den Kreis Herford 2005" hat, kann unter www.kreisheimatverein.de einsehen, welche interessanten Themen darin behandelt werden.


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