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Mindener Tageblatt , 16.10.2004 :

"Türkei gehört einfach zu Europa" / Türken haben bei Aufenthalt, Wahl und Gewerbeausübung weniger Rechte als EU-Ausländer

Von Stefan Koch

Minden (mt). Die Türkei gehört zu Europa und folglich in die EU: Das ist die Meinung der Vertreter des türkisch-islamischen Kulturvereins Minden. Sie fordern die gleichen Rechte für die 734 Türken in Minden, wie Bürger von EU-Mitgliedsstaaten sie längst haben.

Im Gegensatz zu EU-Bürgern dürfen Türken nicht ohne Visum in die Union und somit nach Deutschland einreisen. Während der EU-Ausländer einen generellen Rechtsanspruch auf den Aufenthalt in Deutschland hat, gilt dies für Türken nicht. Kommen Türken als Studenten, Arbeitnehmer, im Rahmen der Familienzusammenführung oder als Asylbewerber nach Deutschland, ist die Aufenthaltsbestimmung zum Teil mit erheblichen Einschränkungen verbunden.

Doch die Liste der Benachteiligung von Türken gegenüber EU-Ausländern ist noch länger. Will ein Türke die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, muss er grundsätzlich auf die türkische verzichten. Bei vielen EU-Staaten ist dagegen die doppelte Staatsbürgerschaft möglich.

Bei Kommunalwahlen Teilnahmer verwehrt

EU-Staatsbürger können nach ihrer Einreise eine selbstständige Tätigkeit in Deutschland ausüben; Türken ist dies erst nach Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gestattet. Und: Während in Minden lebende EU-Ausländer das Recht zur Teilnahme an den Kommunalwahlen haben, ist dies Türken ebenfalls verwehrt.

Doch das ist nicht der Hauptgrund für den Wunsch der Türken nach der EU-Mitgliedschaft ihres Landes. Hikmet Celik, Mitglied im türkisch-islamischen Kulturverein und ehemaliger Angehöriger des Ausländerbeirates in Minden: "Die Türkei gehört einfach zu Europa." So sei sein Herkunftsland mehr als 40 Jahre ein verlässlicher Partner in der Nato.

Und Durmus Aksoy, Vorsitzender des Kulturvereins erklärt, dass mit den Reformen von Kemal Attatürk 1923 ein konsequenter politischer West-Kurs begonnen worden sei, der in die EU-Mitgliedschaft münden müsse.

Und wie verträgt sich das mit den zurzeit sieben in Minden lebenden Asylbewerbern aus der Türkei? "Es gibt seit einigen Jahren keine Verfolgung mehr von ethnischen, religiösen oder politischen Minderheiten in der Türkei", erklärt Celik. Die tatsächlichen Asylgründe der jeweiligen Fälle sprächen deshalb nicht gegen die Tatsache einer Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit des Landes.

Massive Kritik an Unterschriftenaktion

Massive Kritik üben die Vertreter des türkisch-islamischen Kulturvereins an dem Bestreben der Spitze von CDU/CSU, mittels einer Unterschriftensammlung gegen den EU-Beitritt zu intervenieren. Aksoy: "Dadurch wird das friedliche Zusammenleben von Türken und Deutschen beeinträchtigt und die Verantwortlichen geben rechtsradikalen Tendenzen nach." Nicht zuletzt die Integrationsbemühungen des Kulturvereins in Minden würden durch solch ein Vorgehen zunichte gemacht.

Celik sieht dagegen auch für die Europäische Union Vorteile einer Mitgliedschaft der Türkei. "Es wird der Beweis erbracht, dass die Rechtsstaatlichkeit des Westens und der Islam nicht einander ausschließen." Das habe auch eine Signalwirkung auf viele andere islamische Staaten. Nicht zuletzt erleichtere dies wirtschaftliche Kontakte in Länder des Orients und nach Asien.

16./17.10.2004
mt@mt-online.de

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