Schaumburger Zeitung ,
15.10.2004 :
"Schwierig, sich in die Lage Israels zu versetzen" / Shimon Stein, israelischer Botschafter in Deutschland, plädiert für mehr Nachdenklichkeit
Bückeburg (bus). Shimon Stein hat sich am Mittwochabend in der Bückeburger Schloss-Remise als exzellenter Vertreter seines Heimatlandes präsentiert. Der Botschafter Israels in Deutschland sprach auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Thema "Frieden im Nahen Osten - realistische Perspektive oder purer Hoffnungsschimmer?". "Manche historische Prozesse", verdeutlichte der Diplomat, "benötigen eine gewisse Reife und dauern etwas länger". Der Nahost-Konflikt begleite ihn seit seiner Geburt, fügte der 56-Jährige hinzu. Dennoch mochte er das "oder" im Vortragsthema nicht gelten lassen: Frieden im Nahen Osten könne beides sein - realistische Perspektive und Hoffnungsschimmer.
Stein schilderte vor etwa 400 Zuhörern – unter ihnen etliche Soldaten und zahlreiche Schüler, die der Einladung von CDU-MdL Friedel Pörtner und Christian Schleicher (Leiter des Bildungswerkes Hannover) gefolgt waren – in "generellen Bemerkungen" außer politischen Standpunkten auch private Empfindungen. "Es ist verdammt schwierig, sich als Außenstehender in die Lage Israels zu versetzen", sagte der zweifache Vater. Seit der Eskalation des Terrors meide seine Tochter jegliche Busfahrten, benutze entweder das Taxi oder gehe zu Fuß – eine fatale Folge der terroristischen Anschläge, denen stets Zivilisten zum Opfer fielen.
In einer Gegenüberstellung der Ziele und Resultate Jassir Arafats attestierte Stein dem Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde gleich dreifaches Scheitern. Weder habe der Al-Fatah-Gründer die israelische Gesellschaft zermürbt noch die arabische Welt mobilisiert. Darüber hinaus sei es dem Friedensnobelpreisträger nicht gelungen, die US-Amerikaner auf die Seite der Palästinenser zu bringen. Fazit: "Alle Rechnungen Arafats sind nicht aufgegangen."
In der Diskussion um die gezielte Tötung von Exponenten radikaler Palästinenserorganisationen warb der studierte Historiker um das Verständnis des Publikums. "Versetzen Sie sich in unsere Lage – falls wir nichts unternehmen, unternehmen die etwas." Die Entscheidungen glichen der Wahl zwischen Pest und Cholera. "Organisationen wie Hamas und Dschihad töten unschuldige Zivilpersonen", stellte er sich hinter den Kurs seiner Regierung. Das solle man beim Namen nennen und "nicht rumeiern". Stein plädierte für eine Anpassung des Völkerrechts an neue Formen der Bedrohung. Dieses Recht stamme aus einer Welt, die keinen Bestand mehr habe. Der Krieg gegen den Terror, in dem Israel sich befinde, sei mit Auseinandersetzungen im traditionellen Sinn nicht vergleichbar, die Bedrohungen besäßen grenzübergreifenden Charakter.
Über seine Meinung zur Rolle der Medien befragt, reagierte der Diplomat mit deutlichen Worten. Die Berichterstattung gestalte sich "alles andere als befriedigend". Immer häufiger vernachlässigten die Journalisten ihre eigentliche Aufgabe des Berichtens und schlüpften in die Rolle des Schiedsrichters. Momentaufnahmen zeichneten ein Bild, in dem Unbeteiligte zwischen Nachricht und Meinung des Verfassers kaum zu unterscheiden wüssten. Stein setzte sich für "mehr Nachdenklichkeit bei der Komplexität des schwierigen Konflikts" ein. "Ich wollte Sie nicht zum Zionismus bekehren, sondern zum Nachdenken anregen", fasste er seinen Auftritt unter dem Applaus des Auditoriums zusammen.
Ein vermutlich anderes Bild als der Israeli wird am Montag, 22. November, Abdalla Frangi zeichnen. Der Generaldelegierte Palästinas in Deutschland ist an diesem Tag auf Einladung der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik in der ehemaligen Residenzstadt zu Gast.
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