junge Welt ,
02.10.2004 :
"Unschuldige 22 Stunden am Tag eingesperrt" / Demonstration am Sonntag gegen Bürener Knast / Unwürdige Verhältnisse für "Abschiebehäftlinge" / Ein Gespräch mit Frank Gockel
Frank Gockel ist Sprecher des Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e. V.
junge Welt: Sie rufen für Sonntag, den 3. Oktober, um 13 Uhr, zu einer Demonstration gegen den Abschiebeknast in der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Büren auf. Wie viele Gefangene sind dort interniert?
Frank Gockel: Wir kennen die Zahl der Inhaftierten auch nicht. In Büren können bis zu 560 Abschiebehäftlinge eingesperrt werden, allerdings ist das Gefängnis zur Zeit nicht ganz voll.
junge Welt: Wie ist die Situation der Inhaftierten?
Frank Gockel: Die Unterbringung geschieht nach den- selben Regeln wie bei Strafgefangenen, das heißt: die Flüchtlinge sind bis zu 22 Stunden am Tag in ihren Zellen eingesperrt. Die für Strafgefangene üblichen Vergünstigungen wie etwa Urlaub gibt es in der Abschiebehaft nicht. Es fehlen dort auch Sozialarbeiter, fest angestellte Psychologen oder Pädagogen für die Kinder und Jugendlichen gibt es immer noch nicht. Und die Haftbeschlüsse erstellt das Amtsgericht Paderborn am Fließband. Die seelsorgerische Betreuung wird zum großen Teil von Ehrenamtlichen getragen.
junge Welt: Erst am Montag ist ein Häftling gestorben. Was ist passiert?
Frank Gockel: Der Gefangene hatte eine Thrombose, wegen der er bereits behandelt wurde. Am Montag löste sich der Blutpfropf und führte zu einer Lungenembolie. Gefangene berichteten, dass er vorher über heftige Schmerzen geklagt hatte. Für uns bleibt die Frage, warum er dann nicht ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Außerdem litt er unter massiven psychischen Problemen, er wurde deswegen schon stationär behandelt. In der JVA hingegen bekam er nur Medikamente. Gefangene berichteten, dass er von diesen Arzneimitteln Zitteranfälle bekam und gelegentlich nicht mehr wußte, wo er war.
junge Welt: Die Bürener Bevölkerung hat auf die Demonstrationen gegen den Abschiebknast immer mit Ablehnung oder offener Feindseligkeit reagiert. Hat sich die Stimmung geändert?
Frank Gockel: Bei den ersten Demonstrationen gingen wir durch leere Straßen, heute trauen sich die Bürger vor die Häuser, um sich das "bunte Volk" anzuschauen. Aber sie wollen bis heute nicht daran erinnert werden, dass sie sich für dieses Gefängnis ausgesprochen haben, dass sie also mitschuldig daran sind, dass dort unschuldige Menschen inhaftiert werden. Sie sehen in der JVA nur eine Firma, die Arbeitsplätze bringt.
junge Welt: Die JVA Moers schließt Anfang 2005, die dort Inhaftierten sollen ebenfalls in Büren interniert werden. Welche Auswirkungen hat das auf die Situation der Gefangenen?
Frank Gockel: Büren ist schon jetzt überlastet. Ein Beispiel ist die Krankenabteilung. Es gab bereits den zweiten Todesfall, der darauf zurückzuführen ist, dass Menschen inhaftiert sind, die stationär behandelt werden müssen. Eine Aufstockung der Haftzahlen wird zu weiteren Katastrophen führen. So sehr wir auch begrüßen, dass Moers schließt, aber die Gefangenen nach Büren zu verlegen, ist keine Lösung. Viel besser wäre es, endlich eine haftvermeidende Politik in den Ausländerbehörden einzuführen.
junge Welt: Auf Plakaten zur Demonstration steht "Büren: Abschiebeknast und Billiglohnfabrik" zu lesen. Wieso Billiglohnfabrik?
Frank Gockel: Einige Gefangene dürfen arbeiten. Das Arbeitsangebot ist aber typisch für den Knast: Schrauben eintüten, Schnellhefter nach Farben sortieren oder Elektrokabel zusammenlöten. Die Gefangenen bekommen dafür etwas über zwei Euro pro Stunde, wobei ihnen in der Regel die Hälfte abgenommen wird, da sie die Kosten der Haft und der Abschiebung selber tragen müssen. Damit sind wir bei einem Stundenlohn von einem Euro. Sie sind damit schlechter gestellt als Strafgefangene, gegen deren Stundenlohn von zwei Euro schon jetzt viele Gefangenenhilfsorganisationen protestieren.
junge Welt: Wie kann man die Arbeit Ihres Vereins unterstützen?
Frank Gockel: Das Wichtigste ist, unsere Forderung nach Schließung aller Abschiebehaftanstalten zu unterstützen. Bis dahin brauchen die Gefangenen unsere Solidarität. Allerdings brauchen wir Spenden, um Gefangene in ihren größten Nöten auffangen zu können.
* www.gegenAbschiebehaft.de
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